Die Korallentaucherin
Unwiderstehlich.«
»Ich koche dir Kaffee. Nur für dich habe ich immer welchen vorrätig.«
»Was für ein Nachbar. Phantastisch. Sind wir die Einzigen, die schon munter sind?«
»Hier, ja. Ich war bereits am Strand, und da trifft man immer auf den einen oder anderen Frühaufsteher. Und ich habe den Alten mit der Augenklappe gesehen. Er machte sich an den Poolpumpen in der Anlage zu schaffen«, berichtete Tony.
»Patch. Er ist ein komischer Vogel. Sie nennen ihn den hauseigenen Spanner, aber er ist wohl eher der hauseigene Spion. Er sieht alles, glaube ich, obwohl er einäugig ist! Immer taucht er gerade da auf, wo man ihn am wenigsten erwartet«, sagte Jennifer. »Anfangs hatte ich Angst vor ihm. Inzwischen tut er mir eher leid.«
»Bisschen Lokalkolorit, wie? Und was habt ihr heute Morgen geplant?«
»Eine kleine Exkursion.« Isobel lächelte.
Jennifer und Isobel marschierten am Strand entlang an der Ferienanlage vorbei.
»Wie gut kennst du Tony?«, fragte Jennifer.
»So gut, wie er es zulässt. Ich dringe nicht in ihn. Gelegentlich gibt er ein bisschen von sich preis.«
»Er sprach von einer Wunde, die er erlitten hat. Er meinte eine emotionale, nicht die Narbe an seinem Arm, wie ich vermute.«
»Er hat sicher nichts dagegen, dass ich es dir erkläre«, sagte Isobel bedächtig.
»Oh, bitte, missbrauche nicht sein Vertrauen«, sagte Jennifer hastig und dachte an all das, was Isobel von ihr wusste.
»Nein, du sollst es wissen. Er spricht nicht über sein Liebesleben, aber in Afghanistan hat er sein Herz verloren. Er hatte so viel Tod und Zerstörung gesehen, dass er glaubte, immun zu sein. Bis er eines Tages im Krankenhaus ein kleines Mädchen sah, etwa sechs Jahre alt, schwer verletzt und verwaist. Er sagte, sie hätte ihn gerührt, als er vorbeiging, und das war’s. Er lernte ihren alten Onkel kennen und beschloss, ihr zu helfen. Ich glaube, er stand fast ein Jahr lang mit ihr in Kontakt.«
»Was ist dann passiert?«
»Bei der Einreise nach Pakistan ist sie ums Leben gekommen. Er gibt sich selbst die Schuld. Und sie fehlt ihm. Ich glaube, er meinte, wenn er zumindest einem Kind helfen könnte, würde aus dem Horror des Krieges wenigstens etwas Gutes entstehen.« Isobel zuckte die Schultern. »Aber der Krieg geht weiter. Und Kinder müssen sterben.«
Spontan legte Jennifer schützend die Arme über ihren Leib. »Armer Tony. Meine Schwangerschaft scheint ihm unbehaglich zu sein. Jetzt verstehe ich, warum. Im Vergleich zu dem, was er erlebt hat, wird mein Kind trotz allem mit Liebe und gut behütet aufwachsen.«
Isobel bemerkte wohl den Einschub »trotz allem«, überging ihn aber. Sie strich über Jennifers Arm. »Dein Baby ist ein großes Geschenk. Für uns alle.«
Jennifer wusste nicht recht, was sie damit meinte. Schweigend gingen sie weiter und genossen den frühen Morgen. Nur wenige Leute waren unterwegs, doch als sie sich der Ferienanlage näherten, sah Jennifer zu ihrem Schrecken die
Kicking Back
, die in der Lagune vor Anker lag. Gordon Blake stieg gerade in das zu der Luxusjacht gehörende kleine Motorboot. Sie entdeckte Doyley, der am Anleger das Gepäck der abreisenden Gäste ablud, und ging zu ihm hinüber.
»Hi, Jennifer, wie geht’s?«
»Gut, gut. Sag mal, Doyley, sind Fanzio und Holding wieder hier? Ich habe sie mit diesem Willsy in Headland gesehen.«
»Ja. Aber sie bleiben nicht. Haben eine Angeltour gechartert. Sie haben nur einen neuen Mitarbeiter hier abgesetzt. Weiß nicht, wieso der mit denen herumhängt.«
»Wer weiß? Vielleicht hat er Beziehungen. Ich wollte mich nur erkundigen.«
»Bis später, Jennifer.« Er nickte Isobel zu und startete den Elektrokarren.
»Warum interessierst du dich für diese Leute?«, fragte Isobel, als sie den Strand in Richtung Coral Point entlanggingen.
»Vielleicht bin ich unfair, aber ich kann sie einfach nicht leiden. Blair glaubt, seine Beförderung beschleunigen zu können, indem er sich bei den leitenden Angestellten des Unternehmens lieb Kind macht, und als dieser Fernseh-Typ hier war, gab es ein Drama. Ich finde es merkwürdig, dass sie immer wieder herkommen.«
»Das hier ist ein wunderbares Stück Australien. Viele Menschen wollen herkommen und das Riff sehen. Und das idyllische Inselleben genießen, nicht wahr?«
»Und was wollen wir bei Gideon?«, fragte Jennifer und hätte gern gewusst, warum Isobel darauf bestanden hatte, dass sie ihren Badeanzug trug. »Wir gehen doch nicht wirklich segeln, oder?«
»Doch,
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