Die Korallentaucherin
der andere. Solange Jennifer Arbeit fand, würde ihre Mutter zufrieden sein, selbst dann, wenn sie nicht Grundschullehrerin werden sollte.
Jennifers Tagesablauf änderte sich in den nächsten paar Monaten nur wenig. Sie und Blair trafen sich regelmäßig, doch ihre Beziehung war nach wie vor nur freundschaftlich. Jeder hatte seinen eigenen Freundeskreis, ging seinen eigenen Aktivitäten nach. Blair verbrachte gern Zeit mit seinen Kumpels, um Sportsendungen anzusehen, in die Kneipe zu gehen oder abzuhängen. Jennifer ahnte, dass gelegentlich auch Mädchen im Spiel waren, doch sie fragte nie danach und hielt sich lieber von diesen Männersachen fern.
Sie hatten noch nicht miteinander geschlafen, weil Blair ihre Abwehr und ihren Widerstand spürte, daher zogen beide sich immer zurück, wenn es beim Küssen zu weit zu gehen drohte. Insgeheim war Jennifer enttäuscht. Ihr war klar, dass er glaubte, sie würde sich verweigern, doch sie wollte nicht diejenige sein, die den ersten Schritt tat, schon gar nicht, da es das erste Mal für sie sein würde. Sie hatte sich entschlossen, dass es, wenn sie denn ihre Unschuld verlor, mit Blair geschehen sollte. Doch er äußerte etwas in der Art, dass er sie respektierte und sie nicht zu etwas drängen wollte, was sie später bereuen würden.
Jennifers Leben bewegte sich zwischen ihrem Studium und Blair. Dann verkündete Blair eines Tages, dass er zwei Stellenangebote bekommen hatte. Ein Angebot als Nachwuchsmanager in einem Tophotel in der Schweiz, in Lausanne. Das andere in Sydney in einem neuen internationalen Hotel als stellvertretender Generaldirektor.
Jennifer erklärte er: »Das Erste würde mir internationale Empfehlungen einbringen, aber offen gestanden – viel lernen würde ich dort nicht, wahrscheinlich müsste ich als Nachwuchskraft alle möglichen Drecksarbeiten erledigen. Dutzende von hoffnungsvollen europäischen Hotelangestellten machen diesen Job. Aber hier in Sydney, glaube ich, könnte ich schneller vorankommen.«
»Es ist eine internationale Hotelkette. Das wird dir doch sicher so manche Tür öffnen«, sagte Jennifer und hoffte, dass er nicht nach Übersee ging.
»Ich glaube schon«, sagte Blair, nahm ihren Arm und drückte ihn. »Also werde ich mich für Sydney entscheiden. Wenn ich mich dort bewähre, kann ich vielleicht später in ihren Hotels in anderen Teilen der Welt arbeiten oder nach Gelegenheiten in Europa Ausschau halten.«
»Du bist auf dem richtigen Weg, Blair. Genau so, wie du es dir gewünscht hast. Schön für dich«, sagte Jennifer herzlich. Es war ihr ernst, doch sie ahnte, dass Blairs Stern über ihren Horizont hinwegschießen würde.
Er spürte ihre Sorge. »Sieh mal, so ist es auch aus anderen Gründen gut und richtig. Wir können uns weiterhin treffen. Du stehst kurz vorm Examen … Wer weiß, welche Möglichkeiten sich dir dann bieten?«
Sie lächelte flüchtig. »Ja. Wer weiß? Aber ich glaube nicht, dass man sich in Europa für meine Arbeit interessiert. Ich beschäftige mich in erster Linie mit Aussie-Problemen …« Sie unterbrach sich. »Was hier passiert, ist genauso wichtig, in mancher Hinsicht vielleicht sogar wichtiger, denn wir können für den Rest der Welt eine führende Rolle im Naturschutz übernehmen. In manchen Ländern ist bereits alles zu spät.«
Blair nickte ermutigend, doch Jennifer wusste, dass er im Grunde nicht wusste, was sie beschäftigte. Seine Themen waren Tourismus, Trendsetter-Lifestyle, Gastronomie, Karriere, um viel Geld zu verdienen. Allmählich begriff Jennifer, dass Blairs Ziele mit ihren eigenen Studien auf Konfliktkurs waren. Ihre Gespräche über Artenvielfalt, Nachhaltigkeit, Naturschutz, die Umwelt wurden abgebrochen, bevor sie hitzig werden konnten, weil ihn das alles nicht interessierte, und Jennifer glaubte, nicht genug zu wissen, um ihn überzeugen zu können, dass Tourismus, Bauboom und Brandrodung Land und Meer langfristig nicht guttun würden.
Dann lachte er, zog sie am Haar oder kniff ihr in die Nase. »Du bist süß, eine Träumerin und eine Idealistin. Genieß das Leben, Jennifer, so lautet mein Motto.«
Trotz ihrer ideologischen Verschiedenheit führten sie ein schönes gemeinsames Leben, fühlten sich körperlich zueinander hingezogen und weihten einander nach und nach in ihre persönliche Lebensgeschichte ein. Blair zeigte sich mitfühlend im Hinblick auf den traumatischen Verlust von Vater und Bruder in ihrer Kindheit. Und er erklärte sich einverstanden, Jennifer zum
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