Die Krieger 1 - Das Erbe der Magier
unter den Menschen weilte und eine Prophezeiung der Undinen. Selbst die Tatsache, dass sein Vater Magier war, musste er hinnehmen.
Nur eine Frage ließ ihn nicht los: Warum hatte Yan ihm nie davon erzählt? Warum hatten weder sein Vater noch Corenn ihm eine Kostprobe ihrer Fähigkeiten gegeben, wo er doch so neugierig war? Wenn man dem Tagebuch seiner Großtante glaubte, war es nicht besonders gefährlich, Magie anzuwenden.
Amanons Rückkehr riss ihn aus seinen Gedanken, und sein Herz begann freudig zu schlagen. Vielleicht war sein Cousin ja weiteren Erben begegnet?
»Alles klar, wir können gehen«, sagte Amanon jedoch nur.
»Sollen wir den Brunnen nicht lieber aus der Ferne im Auge behalten?«, fragte Eryne.
»Das haben wir gestern getan, aber von hier hinten bekommt man nicht mit, wann die Gerichtsverhandlung beginnt. Wenn wir hierbleiben, verpassen wir womöglich noch jemanden.«
Eryne und Cael folgten Amanon, der seine Rolle als Beschützer äußerst ernst zu nehmen schien. Mit jedem Tag bewunderte Cael seinen Cousin mehr. Zum Beispiel hatte er ganz allein vom Hafen zum Platz der Büßer gefunden, ohne auch nur einmal nach dem Weg zu fragen. Er war einfach ein geborener Abenteurer.
Allerdings hatte er auch seine Schwächen. Dass er ein solcher Einzelgänger war, störte Cael besonders. Es hatte ganze vier Tage gedauert, bis er ihnen Corenns Geheimnis anvertraut hatte, und selbst jetzt hatte er ihnen nicht alles erzählt, denn das letzte Heft hielt er immer noch in seiner Tasche verborgen. Außerdem wusste er anscheinend etwas über Cael, was er ihm verheimlichte. Dieser Gedanke machte den Jungen schier verrückt.
Als die drei sich auf den Brunnenrand setzten und zum Gerichtsgebäude hinübersahen, dachte der Junge erneut an die Valiponden, die ihn angegriffen hatten. Er verstand einfach nicht, was die Sekte mit der Vergangenheit seiner Eltern zu tun hatte. Er hatte nicht den Eindruck gehabt, dass die Mörder ihn entfuhren wollten, ganz gleich, was die anderen sagten. Der Aufseher des Schlafsaals und die Männer in den grünen Kutten waren mit Messern auf ihn losgegangen, und für den Bruchteil einer Dezille war sogar eine Drahtschlinge aufgeblitzt.
Aber vielleicht hatten ihn die Waffen auch nur einschüchtern sollen, oder die Männer hatten sich vor ihm schützen wollen. Unter dem Einfluss der Stimme war Cael schließlich wie entfesselt gewesen, berauscht von Hass und Mordlust. Sein Wutausbruch hatte ihm vermutlich das Leben gerettet, aber er empfand trotzdem nichts als Scham und Furcht, wenn er daran zurückdachte. Für eine Weile war er nicht mehr Herr seiner selbst gewesen.
Seit er im Stall seiner Eltern neben der Leiche Dalaberts aufgewacht war, hatte die Stimme geschwiegen. Selbst als die Kerle in der Herberge ihn zu Boden geschleudert hatten und mit Fußtritten traktieren wollten, hatte sie sich nicht zu Wort gemeldet. Allerdings hatte Amanon gerade noch verhindert, dass sie auf ihn losgingen. Was wäre geschehen, wenn Cael dasselbe passiert wäre wie Nolan? Hätte er sich erneut in eine tollwütige Bestie verwandelt, die vor Freude brüllt, wenn sie das Blut ihrer Feinde wittert?
Er war sicher, dass die Antwort auf diese Frage in Corenns letztem Heft zu finden war, dem Teil, in dem die rätselhaften Symbole standen. Er konnte nur hoffen, dass sein Cousin ihnen bald davon erzählen würde.
Aber vielleicht schwieg er aus gutem Grund.
Da Eryne in Lorelia geboren und aufgewachsen war, kannte sie die Tradition der Schauprozesse, hatte jedoch noch nie eine Verhandlung besucht. So etwas gehörte zu den Dingen, die man stets auf einen anderen Tag verschob. Um sich von ihren düsteren Gedanken abzulenken, beobachtete Eryne die Vorbereitungen der Zeremonie. Sie war neugierig, empfand aber zugleich eine gewisse Herablassung. Der Pöbel drängte sich vor dem Richterpult, um sich daran zu ergötzen, wie irgendwelche armen Schlucker einander wegen Nichtigkeiten an die Gurgel gingen. Dabei vergaß sie ganz, wie sehr sie selbst immer die höfischen Intrigen genossen hatte.
Als Richter, Ankläger und Verteidiger ihre Plätze eingenommen hatten, erklang ein Trommelwirbel, und es wurde still, zumindest unter den Zuschauern vor den Stufen des Gerichtsgebäudes. Zahlreiche Jammergestalten bettelten darum, als Schöffen ausgewählt zu werden. Weiter hinten sank der Lärmpegel kaum: Marktschreier priesen ihre Waren an, Kunden beschimpften einander, und es wurde gefeilscht, getratscht und lauthals gegrüßt.
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