Die Kriegerin der Kelten
setzte Corvus sich doch auf, allerdings ein wenig zu hastig, sodass seine Umgebung für ihn zu einem unheimlichen, düsteren Rot verschwamm. Er stützte die Stirn auf die Knie, öffnete den Mund und atmete einige Male tief ein. Mit gedämpfter Stimme hakte er nach:
»Welche Fürstlichkeiten? Haben die Eceni dem Gouverneur etwa einen Boten geschickt?«
»Wohl kaum. Es scheint eher - das heißt, falls Sabinius sich da nicht verhört hat, und er hat wirklich so lange an dem Heft seiner Standarte herumrepariert, während er mit dem Rücken ganz dicht am Zelt des Gouverneurs saß, dass selbst ich das schon als ungehörig bezeichnen würde... Also, falls Sabinius richtig gehört hat, stammt die Nachricht geradewegs von Cartimandua, Königin der Briganter von des Kaisers Gnaden. Von des Kaisers überaus bereitwillig gewährten Gnaden, sollte man in diesem Fall wohl sagen. Aber auch der Legat ist da, zwei Tribune und die ersten beiden Kohorten der Zweiten Legion. Und sie alle sind aus eigener Initiative heraus aus dem tiefen Südwesten des Landes bis hier zu uns gereist. Außerdem haben sie dem Gouverneur alle die gleiche Nachricht überbracht, was dann wohl bedeuten dürfte, dass an dieser Nachricht tatsächlich etwas dran ist.«
Corvus legte die Hände über die Augen und wünschte sich sehnlichst, er könnte bereits wieder etwas klarer denken. Noch immer glaubte er, die Schreie der Männer zu hören, glaubte zu spüren, wie seine Albträume von außen gegen die Wände seines Zeltes drückten. Aber plötzlich verschwanden diese Eindrücke auch wieder, und alles war still.
»Wie genau lautete denn die Nachricht?«, fragte er Ursus. »Was ist der Anlass dafür, dass die Kampfverbände der Zweiten Legion derart weit in den Norden reisen und Cartimandua einen Kurier so weit hinunter in den Süden schickt? Zumal die Handelsrouten noch gar nicht wieder richtig passierbar sind.«
Ursus war kein Mann der feinen Zwischentöne, sodass die Neuigkeiten geradezu aus ihm herauszusprudeln schienen. Fast schon verschluckte er sich, als er sprach, und war offensichtlich ganz erschüttert von der Bedeutung dieser Nachricht und der politischen und auch ganz persönlichen Tragweite, die diese womöglich für ihn haben könnte. In dem Tonfall eines Mannes, der eine sehr wichtige Ankündigung zu machen hatte, erklärte er: »Der Osten revoltiert. Die Eceni haben sich wieder einmal gegen den Kaiser erhoben und stürmen Camulodunum. Mittlerweile dürfte von der Stadt nur noch ein Haufen Asche übrig sein. Und als Nächstes sind wohl Canonium, Londinium und Verulamium dran. Wenn die Legionen also nicht bald ausrücken, um den Wilden Einhalt zu gebieten, werden die einmal quer durch sämtliche Städte südlich des Flusses hindurchbrausen, bis sie irgendwann in Berikos’ Reich unten an der Küste angelangt sind.«
Corvus war entsetzt. Was er da gerade gehört hatte, war doch ganz unmöglich. Und zugleich war es unvermeidlich. Wie ein Wirbelsturm tobten diese beiden Einsichten durch seinen Kopf und prallten unmittelbar hinter seiner linken Schläfe mit quälend lautem Scheppern geradewegs aufeinander. »Und was ist mit der Neunten passiert? Die sollten doch den Osten halten. Von dort aus ließe sich doch jede Revolte, noch ehe sie richtig begonnen hätte, problemlos niederschlagen.«
»Nicht mehr. Denn die Neunte Legion gibt es nicht mehr. Die Eceni haben Arminius’ Taktik vom Rhein angewendet und unsere Kameraden einfach niedergemetzelt. Was von der Neunten noch übrig ist, und das ist wahrlich nicht viel, ist in der Festung an der Ostküste eingekesselt und steht unter Belagerung. Petillius Cerialis ist zwar noch am Leben, aber das wird, zumindest meiner Einschätzung nach, auch nicht mehr lange dauern. Wenn er nur noch einen Funken Verstand hat, stürzt er sich schon bald in sein Schwert.«
Die Nachricht über den Verlust der Neunten Legion schien Ursus nicht sonderlich zu beschäftigen, ganz so, als ob das keine große Sache sei, sondern lediglich eine Angelegenheit, die zwar einen einzelnen Mann vielleicht das Leben kosten könnte, keineswegs aber Kaiser und komplette Heerscharen zerstörte. Stattdessen richteten sich seine Gedanken allein auf seine ganz persönlichen Anliegen, sodass er mit erregter Stimme fortfuhr: »Flavius glaubt ja noch immer, dass die Frau, die wir damals befreit hatten, die Bodicea war. Ein Glück, dass Ihr also ausgerechnet Flavius heute das Leben gerettet habt. Ansonsten würde dessen Bericht vor dem
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