Die Krone der Macht
seinen Wanderungen erzählt und sie immer wieder nach Dingen über die Hauptstadt und die Königin gefragt hatte, wurde zunehmend wortkarger. Auch Sarja verspürte keine Lust mehr, sich zu unterhalten, und hing ihren Gedanken nach. Gegen Abend pfiff der Wind immer stärker über das flache Land und drang selbst durch ihre warmen Umhänge.
Als Nador bemerkte, dass Sarja fröstelnd die Schultern hochzog, sagte er: „Wenn wir noch etwa zwei Stunden reiten, erreichen wir eine Herberge.“
„Hier in dieser Einöde?“ wunderte sich Sarja.
„Nun, diese Herberge wurde gebaut für die Händler und Reisenden, die nach Calaria ziehen“, sagte Nador. „Da diese Gegend hier so ungeschützt ist, hat die Königin befohlen, dass hier eine Unterkunft gebaut wird, um den Händlern den Weg nach Calaria zu erleichtern. Sie hat den Handel stets gefördert, damit Wohlstand ins Land kam. Alle fünf Jahre wechseln die Pächter der Herberge, damit niemand zu lange in dieser Einsamkeit hier leben muss. Außerdem bekommen die Leute gutes Geld für die Bewirtschaftung, da sie von den nicht sehr zahlreichen Reisenden wohl kaum leben könnten.“
„Das ist eine gute Sache“, meinte Sarja, „und kommt uns jetzt sehr gelegen. Mir ist kalt, und ich bin hungrig und müde.“
„Dann lass uns dafür sorgen, dass wir schneller vorankommen“, sagte Nador und trieb sein Pferd an.
Schweigend und verbissen gegen den Wind ankämpfend ritten sie in den dunkler werdenden Abend.
Mittlerweile war es stockfinster geworden. Nur ab und zu kam der Mond für einen Augenblick zwischen den tief dahinjagenden Wolken hervor und erhellte kurz den Weg vor ihnen.
Da sahen sie in der Ferne ein Licht blinken, und kurze Zeit später ragten die dunklen Umrisse eines Hauses vor ihnen auf. Nur an einem der Fenster war ein Laden halb geöffnet, durch den der Lichtschein drang, den sie von weitem gesehen hatten. Man musste im Haus den Hufschlag gehört haben, denn als sie vor der Tür abstiegen, öffnete sich diese und gegen das helle Licht, das in einer breiten Bahn durch die Türöffnung fiel, zeichnete sich die dunkle Silhouette eines Mannes ab.
„Seid willkommen!“ sagte die dunkle Gestalt, deren vom Licht abgewandtes Gesicht sie nicht erkennen konnten. „Tretet ein! Für die Tiere wird gesorgt werden.“
Die Stimme klang heiser und hart, und Sarja erschauerte. Ein Gefühl des Unbehagens und der Furcht stieg in ihr auf. Doch Nador nahm ihre Hand und zog sie ins Haus. Sie befanden sich nun in einem großen Raum, in dem roh gezimmerte Bänke und Tische standen. In einem aus Feldsteinen errichteten Kamin brannte ein mächtiges Feuer. Neben dem Kamin saßen zwei Männer, die wie Hausknechte aussahen und die sich bei ihrem Eintritt rasch erhoben. Sarja und Nador konnten nun auch das Gesicht des Mannes betrachten, der sie eingelassen hatte. Er war sehr groß, größer als die beiden Knechte. Sein Körper wirkte muskulös, doch seine Gesichtsfarbe war bleich und hatte einen eigenartig grünlichen Schimmer. Die Augen waren gelb-braun und ihre Pupillen geschlitzt wie bei einer Katze. Sie funkelten in einem harten Glitzern.
„Setzt euch nur ans Feuer“, sagte der Mann. „Wir werden euch sogleich ein Mahl bereiten. Legt ab, was euch hinderlich ist und macht es euch bequem. Eure Waffen könnt ihr dort auf der Truhe ablegen.“ Damit verschwanden die drei aus dem Raum in den hinteren Teil des Hauses.
„Irgendetwas stimmt hier nicht!“ sagte Nador. „Als ich vor vier Jahren hier war, hatte gerade der Pächter gewechselt, und der neue war erst einen Monat hier. Dies ist aber nicht der Wirt, den ich damals hier sah. Und doch sollte er noch für ein weiteres Jahr die Herberge leiten.“
„Ja, ich fühlte das auch, dass hier etwas nicht stimmt“, sagte Sarja. „Schon als ich durch die Tür trat, überfiel mich das gleiche Angstgefühl wie an dem Abend, als die Mutter ermordet wurde. Lass uns fliehen! Das ist eine Falle!“
Rasch ergriffen sie ihre Sachen und eilten zur Tür, als diese aufflog und der angebliche Wirt vor ihnen stand. In seiner Hand hielt er ein blankgezogenes Schwert, und aus der rückwärtigen Tür stürzten die beiden Knechte, ebenfalls mit gezückten Schwertern. Sarja stieß einen Schrei aus und sprang hinter einen Tisch. Dann zog sie ihr Schwert. Nador hatte kaum Zeit, auch das seine zu ziehen, als der große Mann schon mit wildem Ungestüm auf ihn eindrang. Die beiden Knechte jedoch
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