Die Küsten der Vergangenheit
Sekretärin in einer Anwaltskanzlei gewesen und hatte alle Hoffnung auf eine Karriere aufgegeben, als sie ihrem Mann nach Fort Moxie gefolgt war.
Jeri ging in Walhalla zur Schule, der einzigen Schule für geistig behinderte Kinder in der Umgebung. Sie ging gerne zum Unterricht, gewann viele Freunde, und alle schienen sie in ihr Herz geschlossen zu haben. Die Morgen im Haushalt der Tullys waren geprägt von Jens Ungeduld, endlich in die Schule zu kommen.
Walhalla lag fünfunddreißig Meilen entfernt. Die Tullys hatten eine Vereinbarung mit der Schulbehörde getroffen; der Einzugsbereich war zu groß, um die Kinder mit Schulbussen zu transportieren. Die Tullys brachten Jeri mit dem eigenen Wagen hin und holten sie auch wieder ab, und die Behörde trug die Kosten.
Mit der Zeit hatte Jeris Mutter June angefangen, den zweimaligen täglichen Trip nach Walhalla zu genießen. Das Kind liebte die Fahrt im Auto und war selten glücklicher als unterwegs. Der zweite Teil der Fahrt, wenn June allein im Wagen saß, diente ihr als besinnliche Zeit, in der sie die weiten Felder entlang der Straße beobachten oder ein vertontes Buch anhören konnte.
Jim Stuyvesants Abenteuer fand an einem Donnerstag statt. Jens Vater hatte Nachtschicht, und seine Frau wartete mit französischem Toast, Schinken und Kaffee auf ihn, als er am darauffolgenden Morgen nach Hause kam. Während sie am Frühstückstisch saßen, geschah etwas Merkwürdiges. Zum ersten und einzigen Mal in ihrem Leben ging Jeri allein aus dem Haus. Später schien es, als habe sie zur Schule gehen wollen, und da ihr jeder Begriff von Entfernung oder Wochentag fehlte (es war Samstag und schulfrei), hatte sie anscheinend beschlossen, zu Fuß zu gehen.
Unbemerkt von allen außer ihrem zwei Jahre alten Bruder zog sie ihre Überschuhe und ihren Mantel an und verließ das Haus durch die Verandatür. Dann ging sie zur Route 11 hinüber, wo sie sich nach rechts wandte. Das Haus der Tullys stand ganz im Westen der Stadt, so daß sie innerhalb weniger Minuten an dem zerstörten Tastee-Freez vorbei und über die Interstate-Überführung gegangen sein mußte. Die Temperaturen lagen noch immer unter dem Gefrierpunkt.
Eine Dreiviertel Meile außerhalb Fort Moxies beschrieb die Route 11 einen scharfen Knick nach Süden, um gleich darauf wieder nach Westen zu schwenken. Wäre die Straße schneefrei gewesen, hätte Jeri sie vermutlich nicht verlassen und wäre kurz darauf entdeckt worden. Doch in der Nacht hatte leichter Schneefall eingesetzt, und die Straße war nicht geräumt. Jeri war nicht gewöhnt, auf Details zu achten, und an der ersten Biegung wanderte sie geradeaus weiter und verließ die Straße. Als der Schnee kurze Zeit später tiefer wurde, bog sie nach rechts ab und entfernte sich noch weiter von der Straße.
Inzwischen hatten ihre Eltern bemerkt, daß sie das Haus verlassen hatte. Hastig wurde eine Suchaktion eingeleitet, doch sie beschränkte sich auf die an Jeris Elternhaus angrenzenden Blocks.
Jim Stuyvesant, Herausgeber und Verleger der Fort Moxie News, befand sich zu diesem Zeitpunkt auf dem Weg zum Rundhaus. Die Geschichte, daß ein Geist von der anderen Seite durch das Portal gekommen war, sollte an jenem Morgen in einer Pressekonferenz widerlegt werden, und Jim wollte dabei sein. Er befand sich nicht weit westlich der Stadt, als er auf der rechten Seite, auf Josh McKenzies Land, eine Bewegung wahrnahm. Ein Schneeteufel glitt auf merkwürdig regelmäßige Weise hin und her. Der Schneeteufel bildete einen perfekten Wirbel, schmal an der Basis, weit am oberen Ende. Normalerweise waren Schneeteufel an den Rändern unscharf und verschwommen, und sie bewegten sich auf zufälligen Bahnen über die Ebene. Doch dieser Schneeteufel hier wirkte beinahe fest. Und nicht nur das, er bewegte sich auf einer immer gleichen Bahn vor und zurück.
Stuyvesant hielt an und beobachtete das Schauspiel.
Es war irgendwie hypnotisch. Böiger Wind ließ den Wagen schwanken, stark genug, um den Schneeteufel in Stücke zu blasen. Doch der Schneeteufel blieb intakt.
Stuyvesant war niemals ohne seine Videokamera unterwegs. Er hatte sie schon zu den verschiedensten Gelegenheiten eingesetzt und die Aufnahmen anschließend Ben at Ten oder einer anderen lokalen Nachrichtensendung verkauft. (Beispielsweise hatte er vorzügliche Filmaufnahmen von der Massenkarambolage auf der Interstate 29 am Thanksgiving Day gemacht oder von der Blockade letzten Sommer, wo wütende Rancher gegen die Fleischimporte
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