Die Kunst des Sterbens: Thriller (German Edition)
entziehen.
Sie schüttelte den Kopf, die Arme fest verschränkt. »Nein. Ich bin nach Paris geflogen. Um meinen Freund zu besuchen.« Jedes ihrer Worte klang schroff und abgehackt. Webster wirkte verwirrt. »Er hat mir erzählt, was er mir vor einiger Zeit noch nicht erzählen wollte. Und von dem Sie glaubten, dass Sie es für sich behalten sollten.«
»Tut mir leid.«
»Warum leid? Weil mein Vater ein Verräter ist? Oder weil Sie mich belogen haben?« Sie hatte Tränen in den Augen.
»Ich habe Sie nie angelogen.«
»Aber Sie haben mir die Wahrheit verschwiegen.«
Er nickte. Er könnte ihr sagen, es sei notwendig gewesen, und das wäre die Wahrheit, aber trotzdem hatte sie recht.
»Weiß er, dass Sie es wissen?«
Ava fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen, schniefte, fasste sich wieder. »Wenn ich an all die anständigen Menschen denke, die sein Geld getötet hat. An all die Waffen, die mit seinem Geld gekauft wurden. Er widert mich an.« Sie schaute zu Webster auf. »Er weiß es. Er war noch auf, als ich zurückkam. Ich habe ihm gesagt … habe ihm gesagt, dass ich verschwinde. Ich habe ihm gesagt, dass er nicht mehr mein Vater ist. Dass er nie eine Tochter gehabt hat.«
»Wissen Sie, wo er sich aufhält?«
»Ist mir egal. Und ich will es auch in Zukunft nicht wissen. Er wollte mich überreden zu bleiben. Und meinte, dass, wenn ich was Dummes anstelle, Raisa und …« Sie verstummte.
»Das stimmt«, sagte Webster.
Sie schüttelte den Kopf. »Schwachsinn. Er lügt ständig und gegenüber jedem. Das ist eine Krankheit.«
»Diesmal nicht. Wenn er diesen Leuten nicht in vier Tagen das Geld zurückzahlt, sind Sie und Ihre Familie in Gefahr. Und meine auch.«
Ava schaute zur Seite, Richtung Straße, und beobachtete, wie ein Wagen mit erhöhter Geschwindigkeit auf sie zugefahren kam und dann passierte.
»Diese Leute sind gefährlich«, sagte er. »Ich glaube, dass sie Mehr getötet haben.«
»Sie haben also auch …« Die Worte blieben ihr im Halse stecken. Sie drehte sich um und schaute ihn an, beherzt und ängstlich zugleich. »Was ist in Dubai passiert?«
Er zögerte. Er wusste, was in Dubai passiert war. »Ich weiß es nicht. Ehrlich.«
»Haben die ihn getötet?«
Es fiel ihm schwer, ihr in die Augen zu blicken. »Wir wissen es nicht.«
»Mein Gott«, sagte sie und hielt sich selbst umklammert, schüttelte den Kopf und kratzte mit den Händen ihre Oberarme. »Mein Gott. Sagen Sie mir, dass er es nicht war. Sagen Sie’s. Ich könnte nicht …«
Webster trat auf sie zu und legte ihr die Hand auf die Schulter, er spürte, wie ihr Körper leicht zitterte.
»Wir werden es vielleicht nie erfahren. Ava. Sehen Sie mich an. Das hier ist kein Spaß. Wenn Ihr Vater denen nicht zurückzahlt, was er ihnen schuldet, passiert Schlimmes. Dafür werden die sorgen. Das ist ihr Job. Es spielt keine Rolle, wo wir hingehen, wie viele Wachleute wir haben, sie werden uns trotzdem finden. Ava, sehen Sie mich an. Ich weiß, dass Sie ihn nicht retten wollen. Ich auch nicht. Aber wenn wir das nicht tun …« Er konnte den Gedanken nicht zu Ende bringen. »Ich muss herausfinden, wo er steckt.«
Ihre Augen, die jetzt unendlich traurig wirkten, sahen ihn für einen Moment direkt an, und der Schmerz darin war so stark, dass er überzeugt war, sie sei mit ihren Gedanken ganz woanders und hörte nur noch ihre Trauer. Doch während sie schniefte und sich die Augen rieb, sagte sie: »Ihre Familie?«
»Ja, meine Familie. Und Ihre.«
Sie nickte, als würde sie zum ersten Mal über etwas Bestimmtes nachdenken.
»Ihre Kinder?«
»Meine Kinder, ja. Ein Mädchen und ein Junge.«
»Wo sind sie?«
»An einem sicheren Ort. Einigermaßen sicher.«
Sie wandte sich von ihm ab, und für etwa eine Minute stand sie einfach nur da und starrte mit leicht wackelndem Kopf die Straße hinunter.
»Was soll ich tun?«, fragte sie schließlich.
»Ich muss ins Haus. Und vielleicht brauche ich Sie auf einem Meeting.«
Sie nickte, das Gesicht ausdruckslos, und er führte sie die Treppe hinauf.
»Lassen Sie uns allein«, sagte Ava zu dem Sicherheitsmann, sobald sie im Innern war. Er zögerte einen Moment, weil er sich offensichtlich fragte, ob Webster eine Gefahr darstellte. »Ist in Ordnung«, sagte sie, und dann, verärgert, weil er stehen blieb und sich mit einer beschützenden Geste demonstrativ aufrichtete: »Gehen Sie. Bitte. Ich melde mich, wenn ich Sie brauche.« Webster beobachtete, wie er den Abgang machte, immer noch
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