Die Kunst des Sterbens: Thriller (German Edition)
Timur sei und dass er ihren Wagen erkannt habe, und dass er Parviz gerne nach Hause fahren würde, dann müsse er nicht hier am Straßenrand stehen. Inzwischen hatte er sich neben den Jungen gestellt und strich ihm durchs Haar. Khalil lehnte dankend ab, worauf der Mann aus seinem Hosenbund eine silberne Pistole hervorzog. Dann nahm er Parviz an der Hand und führte ihn zu dem BMW. Der Junge sagte etwas zu Khalil und versuchte sich zu befreien, doch der Mann zerrte ihn zu dem wartenden Auto, öffnete die Hecktür, stieß ihn ins Innere und stieg zu ihm. Sofort fuhr der Wagen davon. Khalil, der bei vorgehaltener Waffe wie erstarrt dastand, wusste einfach nicht, wie er reagieren sollte.
Ungefragt erzählte Parviz, dass die Männer in dem Wagen ihm nicht wehgetan hätten; sie hätten ihn einfach weinen lassen. Man habe ihn weder gefesselt noch ihm die Augen verbunden. Sie waren zu zweit gewesen: der Mann, der ihn hineingezerrt hatte, und der Fahrer. Sie hatten nicht miteinander gesprochen, kein Wort. Für eine Weile waren sie einfach nur gefahren, allerdings wusste Parviz nicht, wohin. Er hatte das Gefühl, sie würden ständig im Kreis fahren. Schließlich bog der Wagen in das Parkhaus eines großen Einkaufszentrums und kam zum Stehen. Dort hat der Mann mit der Sonnenbrille Parviz ganz ruhig an der Hand in einen Supermarkt geführt und ihn aufgefordert, beim Obst bis dreihundert zu zählen und dann einer der Kassiererinnen zu sagen, wer er sei und dass er nach Hause wolle. Bevor der Mann verschwand, hatte er Parviz einen Zettel mit Timurs Telefonnummer gegeben.
Während der Schilderung des Jungen sagte weder Webster noch Constance etwas. Der Captain arbeitete gründlich, inzwischen jedoch ohne Eile, und obwohl es fast dunkel war, als er aufbrach, und keine Frage ungestellt geblieben war, hatte Webster das Gefühl, dass dieser Zwischenfall keine Priorität mehr hatte.
Timur wirkte gleichzeitig beunruhigt und erleichtert. Webster mochte ihn. Er war nicht so glatt wie sein Vater und strahlte eine stille Traurigkeit aus, als hätte man ihm diese sonderbare Welt aufgezwungen, und als würde er pflichtbewusst das Leben eines anderen führen. Mehrfach hatte er gesagt, dass ihnen so etwas nicht passiert wäre, wenn sie in London geblieben wären, und nichts an seinem Verhalten deutete darauf hin, dass ihn die Aussicht, das Qazai-Imperium zu erben, in Entzücken versetzte. Webster fiel das Wort ein, mit dem Ava ihn beschrieben hatte: unfrei.
Nachdem der Captain fort war, bot Timur seinen Gästen, offensichtlich nur der Form halber, etwas zu trinken an. Webster lehnte ab und warf Constance einen verärgerten Blick zu, als dieser meinte, er könne einen ordentlichen Whisky mit viel Eis vertragen.
»Musste das sein?«, sagte er, während Timur ins Haus ging.
»Gegen den Kater, mein Freund.«
Es war hier draußen ziemlich ruhig. Das Wasser im Pool wurde langsam umgewälzt, Wassersprenger fegten über den Rasen; im Licht der Gartenbeleuchtung wirkte das Gras wie eine makellose, gleichmäßig grüne Fläche, und zum ersten Mal fühlte Webster sich eins mit der Hitze. Als er einen Blick über die Schulter warf, sah er, wie Timur in die Hocke ging, Parviz gute Nacht sagte und ihn fest in den Arm nahm.
Dann erschien ein Dienstmädchen mit drei Gläsern voller Whisky und Eis. Constance nahm eins, trank es in einem Zug aus, stellte es zurück auf das Tablett und strahlte das Mädchen an.
»Noch eins wäre nett. Vielen Dank.«
In diesem Moment kehrte Timur zurück und hob sein Glas ein paar Zentimeter Richtung Webster, dann trank er einen Schluck, und für eine Weile schwiegen alle.
»Was glauben Sie, was die wollten?«, fragte Webster schließlich.
Im blassen Schimmer des Pools konnte Webster erkennen, wie Timur die Stirn runzelte.
»Geld. Keine Frage.«
»Lösegeld?«
»Ja. Sicher.«
»Warum haben sie die Sache nicht durchgezogen?«
»Weil sie kalte Füße gekriegt haben.«
»Aber im Wagen haben sie kein Wort miteinander gesprochen.«
Timur runzelte erneut die Stirn. »Ich kann Ihnen nicht folgen.«
»Sie haben an ihrem Plan festgehalten. Sie sind nicht in Panik geraten.«
»Es klang nicht, als würden sie leicht in Panik geraten«, sagte Constance bedeutungsvoll.
»Können Sie sich vorstellen«, fragte Webster und musterte Timur eingehend, »wer Ihnen eine Botschaft zukommen lassen wollte?«
Timur schüttelte den Kopf. »Nein.« Und nach einer Pause: »Das ist lächerlich.«
»Warum? Sie fühlen sich jetzt
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