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Die Kunst, kein Egoist zu sein - Precht, R: Kunst, kein Egoist zu sein

Titel: Die Kunst, kein Egoist zu sein - Precht, R: Kunst, kein Egoist zu sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard David Precht
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Presse und fand nicht einmal so viel Beachtung, um wenigstens unter den Eiferern ein leises Murren zu erregen.« 2 Immerhin, ein einziger Eiferer fand sich schließlich doch, der den Autor - wie erwartet - als einen Atheisten und Amoralisten beschimpfte. 3
    Der schottische Anwaltssohn David Hume, ein »hochgewachsener ungeschickter Junge«, war 29 Jahre alt, als er im Januar 1739 mit zwei schmalen Bändchen an die Öffentlichkeit trat. 4 Bis dahin hatte der abgebrochene Jurastudent ein kärgliches Leben geführt. Eingeschlossen in seiner Studierstube, von Kopfschmerzen und Müdigkeit geplagt, von Skorbut erschöpft, litt er an schweren Depressionen. Sein weniges ererbtes Geld war rasch aufgebraucht, doch eine Anstellung als Kaufmann endete erfolglos nach wenigen Monaten. Wahllos verschlang er, was er an philosophischer Literatur auftreiben konnte, und wälzte es hin und her. Als niemand mehr etwas von ihm erwartete, stanzte er seine Ansichten schließlich in das Traktat.
    Was für ein Buch! Gemessen an den Umständen seiner Entstehung ist das Werk sensationell. Ruhig und aufgeräumt, überlegen und selbstbewusst, von bestechender Klarheit. Das Programm: alles Verhalten des Menschen zu erklären, und zwar
einzig und allein aufgrund von Erfahrung und sorgfältiger Beobachtung. Keine theologische Überlegung, kein höchstes oder höheres Prinzip - nur das, was sich im gesellschaftlichen Verkehr, in den Alltagsbeschäftigungen und den Vergnügungen der Menschen zeigt, ist von Bedeutung. Mit zoologisch unbestechlichem Blick untersucht Hume die menschliche Natur, die Dynamik ihrer Gefühle, die Regeln ihres Verhaltens und die Gesetze ihrer sogenannten Vernunft.
    Zu Beginn der Aufklärungszeit - in England beginnt gerade die Industrielle Revolution der Textilindustrie - analysiert Hume die Menschen so klar, so neutral und so unverwandt, als gehöre er nicht dazu. Er selbst sieht in seinem Werk eine »Revolution«. Doch besonders beliebt macht ihn das nicht. Seine Bewerbung auf den Lehrstuhl für »Ethik und Pneumatische Philosophie« an der Universität von Edinburgh scheitert. Die Professur erhielt ein gewisser William Cleghorn, an den sich heute niemand erinnert. Sein Leben lang wird die akademische Philosophie Hume ablehnen und ausschließen.
    Sein weiteres Schicksal bestimmt der Zufall. Mit 34 wird Hume Tutor eines englischen Marquis und bald darauf Sekretär eines Generals. Als dessen Adjutant reist er in Europa herum, betätigt sich als Diplomat, verdient eine Menge Geld und steckt es darein, seinen Traktat weiter auszuarbeiten. In rascher Folge schreibt er »Eine Untersuchung über den menschlichen Verstand« und »Eine Untersuchung über die Prinzipien der Moral«. Doch die Tore der Universität Glasgow, wo er sich nun auf eine Logikprofessur bewirbt, bleiben ihm verschlossen.
    Als Bibliothekar der Anwaltskammer in Edinburgh findet er eine neue Anstellung. Inmitten einer prunkvollen Bibliothek von 30 000 Bänden besinnt er sich auf das, was er ohne jeden Zweifel kann: schwierige und verworrene Sachverhalte anschaulich und klar zu formulieren. Kein philosophisches Werk, sondern eine allgemein verständliche »Geschichte von Großbritannien« macht ihn reich und berühmt. Hume verknüpft Geschichte mit
Philosophie und Psychologie mit Wirtschaft. Und er schildert das Geschehen aus vielen verschiedenen Perspektiven. Nach zögerlicher Resonanz am Anfang sorgt das Werk schließlich für Furore: ein Bestseller! »Ungeachtet der wechselhaften Witterung, der meine Schriften ausgesetzt waren«, schreibt Hume über sein Leben, »hatte ihr Absatz solche Fortschritte gemacht, dass die Autorenanteile, die die Buchhändler an mich abführten, bei weitem alles übertrafen, was man bis dahin in England kannte.« 5
    Als Populärwissenschaftler geht Hume in die Zeitgeschichte ein. Die akademische Welt überzieht ihn dafür mit Häme und Spott. Einzig Immanuel Kant zollt ihm seine Anerkennung: »Aber wo ist der … Schriftsteller, der die Geschichte und die trockensten philosophischen Gegenstände mit Verstand und tiefer Einsicht doch so schön abhandelt wie Hume.« 6 Die Kritiken müssen Hume nicht mehr kümmern. Erfolg macht beliebt. Seine weitere Lebenszeit verbringt er in den Kreisen der vornehmen Gesellschaft, wird zwischenzeitlich Geschäftsträger der britischen Botschaft in Paris und Unterstaatssekretär im Außenministerium. Als er im Jahr 1776 in Edinburgh stirbt, ist er ein umstrittener, aber hochgeachteter Mann.
    Heute gilt

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