Die Lady mit dem Schwert: Roman (German Edition)
erfassen, vom Vieh, das auf einer Seite durch eine kleine Pforte getrieben wurde, bis zum Schmied auf der entgegengesetzten. Er wollte nicht, dass sie die Grimasse sah, die er auf ihre Antwort hin zog. Avisa bot ihm die erhoffte Chance für eine Mutprobe bei der Rettung ihrer Schwester, doch schien sie entschlossen, seine Geduld bei jedem Schritt Weges auf die Probe zu stellen – und seine Selbstbeherrschung, denn als sie sich umdrehte, um nach rechts zu blicken, streifte ihr Haar seine Wange. Es drängte ihn, sein Gesicht darin zu vergraben und ihr zu zeigen, dass die Küsse am Bachufer nur ein Vorgeschmack dessen war, was sie zusammen erleben konnten.
»Vorsicht«, sagte er, als sie den Kopf abermals drehte und ihn ihr Haar am Kinn kitzelte. Er spie ein Haar aus, das ihm beim Sprechen in den Mund geraten war.
»Verzeiht.« Sie brachte ihr Haar in Ordnung. Als sie den Kopf zur Seite neigte, verlockte ihr glatter Hals seinen Mund. »Es ist nichts.«
Etwas in seinem Ton musste ihn verraten haben, da sie einen bedauernden Blick über die Schulter warf. Wieder fiel ihm auf, dass ihre Augenfarbe genau dem Farbton der Stickerei an ihrem Gewand entsprach. Ihre Lippen waren wie frische Erdbeeren, ein köstlicher Genuss, wenn es wieder Sommer wurde. Würde ihr Mund bei Sonnenschein so süß schmecken wie in der dunklen Jahreszeit?
Sie blinzelte zweimal ganz schnell, und er fragte sich, ob auch sie dem Bann erlegen war, der entstand, als ihre Blicke sich trafen. Als er wieder geradeaus blickte, wusste er, dass er dumm wäre, sie zu fragen. Ihm bot sich die unerwartete Gelegenheit, ganz England zu zeigen, was er in seinem Herzen wusste, er konnte sich nicht erlauben, sich von einer hübschen Blondine ablenken zu lassen. Er hielt die Zügel fest in der Hand, während er sich diese Worte noch einmal lautlos vorsagte.
Animalische Gerüche empfingen sie, als sie durch ein weiteres Tor in den inneren Hof gelangten. Weitere Düfte, nicht viel angenehmer, drangen aus einem Holzhaus an der Seite des hohen, schmalen Hauptturmes. Die Küche, vermutete er, und fragte sich, warum man diese nicht wie alles andere aus Stein gebaut hatte. Vielleicht war sie schon länger nicht abgebrannt.
Als ein Bedienter vortrat, um ihn zu begrüßen und anzubieten, die Pferde in den Stall zu bringen, bedeutete Christian ihm, man solle Avisa vom Pferd helfen. Ließ er sie an sich hinabgleiten, würde damit jeder Versuch zunichte, ihren weichen Kurven zu widerstehen.
Als ein schlaksiger Mann seine Arme ausstreckte, legte ihm Avisa ihre Hände auf die Schultern und ließ sich von Christians Schoß herunterheben.
»Verdammt!«, zischte der Mann, als ihr Schwert ihn streifte, ehe er sie auf die Steine stellte.
Christian, der sich aus dem Sattel schwang, verzog das Gesicht, als sein rechter Fuß den Boden berührte. Verdammter Knöchel! In den Heldensagen wurde kein kühner Ritter von einem verstauchten Knöchel behindert. Und er auch nicht. Er nahm Avisas Arm und geleitete sie humpelnd zu seinem Bruder, der mit Baldwins Hilfe vom Pferd stieg. Zu viele Augen verfolgten jede ihrer Bewegungen.
»Durch diese Tore kommen nicht viele Fremde«, sagte Avisa leise. »Natürlich erregt jeder Besucher Interesse, doch die Leute starren einen ja richtig an.«
»Vermutlich bekamen sie noch nie eine Frau mit einem Kampfschwert zu Gesicht«, gab er zurück.
Ihre Augen wurden groß vor Staunen. »Ihr scherzt!«
»Nein.«
»Ich finde das unglaublich.« Sie berührte den Griff ihres Schwertes und ließ ihre Finger dort verweilen.
Er schluckte, als sich ihm unwillkürlich die Erinnerung an ihre weiche Berührung aufdrängte. »Glaubt, was Ihr wollt, Avisa, doch Damen tragen kein Schwert. Sie überlassen die Verteidigung ihren Männern.« Er lächelte kalt. »Sie befassen sich mit weiblicheren Aufgaben.«
»Die Königin war sicher bewaffnet, als sie sich ins Heilige Land begab.«
»Das mag sein, doch das hat hier niemand gesehen.«
Avisa runzelte die Stirn. Wieder hatte Christian Recht. Eleanor hatte als Königin von Frankreich einen Kreuzzug mitgemacht und nicht als Henrys Gemahlin.
Er griff um sie herum und schloss ihren Umhang vorne. »Ihr habt schon genügend Blicke auf Euch gezogen.«
Avisa verschluckte eine Antwort, während Christian seine Schulter unter die Achsel seines Bruders schob, um ihm über den schattigen Hof zu helfen, den die Wintersonne schon verlassen hatte. Guys Bogen fiel zu Boden, und er befahl Baldwin, diesen aufzuheben.
Christian
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