Die Lady von Milkweed Manor (German Edition)
Sie sind keinesfalls in einer Position, die es Ihnen erlaubt, mich zu bemitleiden, nourrice .«
Charlotte schlug die Augen nieder und Mrs Taylor folgte ihrem Blick. Plötzlich wurden ihre Augen weit.
»Ihre Hände … was ist passiert?«
Charlotte blickte auf ihre lehmverschmierten Handschuhe hinab.
»Ich bin auf eine Kolonie Seidenblumen gestoßen und wollte ein paar mitbringen, aber ich fürchte, sie waren zu zäh.«
»Warum?«
»Nun, wie Sie vielleicht wissen, sind die Wurzeln stark und reichen sehr tief, deshalb habe ich nur diese eine mitgebracht.«
»Nein. Ich meinte, warum Sie sie mitbringen wollten. Das ist doch Unkraut?«
»Die Seidenblume ist eine Heilpflanze, wie Sie sicherlich auch wissen. Ich dachte, Dr. Taylor könnte sie vielleicht brauchen, da es hier im Garten keine gibt.«
Mrs Taylor sah sie weiterhin forschend an, deshalb fuhr Charlotte fort: »Ich habe Gärten immer geliebt, aber ich muss gestehen, dass auch ich die Seidenblume stets für ein Unkraut gehalten habe. Doch dann sah ich im Garten Ihres Mannes in London all die vielen Heilpflanzen.« Je mehr Charlotte redete, desto fremder klang ihr ihre eigene Stimme. Sie merkte zu spät, dass Mrs Taylor genau wusste, wie sie ihr Schweigen gezielt einsetzen konnte. Indem sie schwieg, zwang sie Charlotte zum Weiterreden und dazu, sich mit jedem Wort mehr zu blamieren. »Ihr Mann ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Mann der Wissenschaft.«
»In der Tat? Nun, hier kommt der Mann der Wissenschaft auch schon.«
»Hmmm?« Daniel sah von der Post auf, die er in der Hand hielt, und lächelte erst seine Frau und dann Charlotte an. »Habe ich etwas verpasst?«
»Liebling, sag mir, wo haben wir eine solche Amme gefunden?« Ihre Stimme klang freundlich, aber Charlotte hörte dennoch eine Spur Misstrauen heraus.
»Im Manor House, aber das habe ich dir, glaube ich, gesagt. Ich kannte Miss Lambs Familie allerdings schon vorher sehr gut.«
Ihre kräftigen Augenbrauen hoben sich. »Und wie hast du die Familie dieser Frau kennengelernt?«
»Während meiner Studienvorbereitungszeit in Kent. Ich habe oft mit Dr. Webb zusammen ihre Mutter besucht.«
Mrs Taylor wandte sich wieder an Charlotte. »Und Ihre Mutter, wo ist sie jetzt?«
»Sie ist gestorben. Schon vor Jahren.«
»Und wie kommt es, dass Sie Amme geworden sind? Ich meine nicht … die Einzelheiten. Was ich meine, ist … wo ist Ihr eigenes Kind?«
Charlotte schluckte. »Er … es ist ebenfalls fort. Ich hatte ihn nur wenige Tage.«
Mrs Taylor schaute ihren Mann an, die Augen geweitet unter den gewölbten Brauen. »Und du hältst diese Frau für geeignet, mein Kind zu stillen?«
»Lizette. Du hast keinerlei Grund zur Sorge. Ich kann für Miss Lambs Charakter und ihre Gesundheit einstehen. Sie hat Anne all die Monate versorgt, als du … indisponiert warst.«
»Wenn Madame es wünscht, kann ich das Haus morgen verlassen«, warf Charlotte ruhig ein.
Obwohl sie den Blick gesenkt hatte, fühlte sie die Augen der Frau auf sich ruhen. Sie war beleidigt. Wenn sie hier unerwünscht war, würde sie gehen, auch wenn das bedeutete, Anne zu verlieren.
»Aber nein, seien Sie doch nicht töricht. Ich wollte Sie nicht kränken, Miss Lamb. Ich bin einfach nur eine Mutter, die sich Sorgen um ihr Kind macht. Das verstehen Sie doch, non ?«
Plötzlich strahlte das Gesicht der Frau wieder. »Natürlich müssen Sie bleiben. Meine Tochter braucht Sie und wer weiß, wie lange es dauern würde, eine andere passende Amme zu finden. Bitte, betrachten Sie dieses Haus als Ihr Heim. Solange Anne Sie braucht.«
Die Worte klangen liebenswürdig, aber die Aussage dahinter entging Charlotte nicht. Akzent hin oder her, Lizette Taylors Englisch war gut … und sehr präzise.
23
Jedermann weiß, wie schwer es ist, eine gute (Amme) zu finden –
wie oft wird man getäuscht und hinters Licht geführt!
James Guillemeau, Childbirth Or The Happy Deliverie of Women
Sally saß im Kinderzimmer von Fawnwell und hielt den kleinen Edmund auf dem Schoß. Sie betrachtete eingehend die Form seiner Nase, seine Brauen und seinen Mund.
»Du bist das Ebenbild deiner Mutter«, gurrte sie und strich ihm mit dem Finger zart über die weiche Wange.
»Was haben Sie da gesagt?«
Sally blickte erschrocken hoch. Sie hatte ihre Herrin nicht kommen hören, doch da stand sie und blickte auf sie herunter.
»Nichts, M'lady«, flüsterte Sally. Sie geriet fast in Panik. Hatte sie ihr Versprechen wirklich so rasch gebrochen? Was würde jetzt aus
Weitere Kostenlose Bücher