Die Lady von Milkweed Manor (German Edition)
Er wirkte immer noch sehr unbehaglich.
Charles nickte und biss sich auf die Lippen. »Sie sind ein gütiger Mensch, Ben Higgins.«
Charlotte öffnete in dem schwachen Licht die Augen und sah überrascht, dass Dr. Taylor sich über ihr Bett beugte. Er hatte einen Schlafrock an und hielt eine Kerze in der Hand. Erschrocken zog sie instinktiv die Bettdecke höher.
Daniel seufzte leise. »Verzeihen Sie mir. Ich hatte gehofft, Sie nicht aufzuwecken. Ich wollte nur nach Anne sehen.«
Erst da fiel ihr ein, dass die kleine Anne neben ihr lag. »Oh! Natürlich.« Jetzt wusste sie es wieder. Annes Unruhe, die heiße Haut, zu heiß, um sie nur mit dem Zahnen zu erklären.
»Sie hat so geweint«, flüsterte Charlotte, »deshalb habe ich sie schließlich zu mir ins Bett geholt.«
Dr. Taylor zog die Babydecke etwas herunter und fühlte zärtlich Annes Stirn, ihre Wangen und ihre Brust.
»Sie ist immer noch warm. Zu warm.«
»Ich hole Tücher …«
»Schhhh … bleiben Sie liegen. Lassen Sie Anne schlafen. Ich gehe.«
Er kam nach wenigen Minuten mit einer kleinen Keramikschüssel und ein paar Taschentüchern zurück. Vorsichtig tauchte er die Tücher ins Wasser, wrang sie aus und legte sie seiner Tochter auf die Stirn.
»Ich fürchte, Ihre Decke wird feucht werden. Ich hätte etwas zum Unterlegen mitbringen sollen.«
»Das macht doch nichts. Ich kann ihr die Umschläge machen, wenn Sie wollen.«
»Bitte, gestatten Sie. Wie viele Nächte bin ich im Manor House und Sie müssen hier allein für sie sorgen?«
»Das gehört zu meinen Aufgaben.«
»Und genauso zu den meinen, würde ich sagen.« Er machte weiter mit den Umschlägen und flüsterte mehr zu der schlafenden Anne als zu ihr: »Wozu hat man einen Arzt zum Vater, wenn er nicht einmal für sein eigenes Kind sorgen kann?«
Er zog seiner Tochter das Nachthemd aus und legte ein kühles Tuch auf ihre Brust. Das kleine Mädchen warf unruhig den Kopf hin und her und jammerte leise.
»Wenn das nicht hilft, müssen wir sie in eine Wanne mit kaltem Wasser legen. Das wird ihr noch weniger gefallen, fürchte ich.«
»Was meinen Sie, fehlt ihr?«
»Das ist im Augenblick noch schwer zu sagen. Der Magen ist weich – keine Verkrampfung. Hat sie sich an die Ohren gefasst oder dergleichen?«
»Nein.«
»Es gehen gerade recht viele Krankheiten um. Hoffentlich nichts Ernstes, nur eine Unpässlichkeit, die einfach ihre Zeit braucht.«
Charlotte sah ihm zu, wie er seiner Tochter ein drittes Tuch um die Arme legte.
Plötzlich sah er zu ihr hinüber. »Und wie fühlen Sie sich, Miss Lamb? Hoffentlich gut.«
»Ja, ich glaube schon. Ich bin ein bisschen müde, aber das war ja zu erwarten.«
Er streckte die Hand nach ihr aus, hielt aber, als er ihre Überraschung sah, mitten in der Bewegung inne. »Darf ich?«
»Oh, natürlich.«
Er berührte zart ihre Stirn und strich ihr mit den Fingern über die Wangen, bevor er sich wieder den Umschlägen widmete. »Sie scheinen in Ordnung zu sein. Ich fürchte, Anne könnte etwas Ansteckendes haben. Vielleicht sollte ich sie mit in mein Zimmer nehmen.«
»Ich glaube nicht, dass das nötig ist. Wenn Anne etwas Ansteckendes hätte, dann hätte ich es inzwischen auch schon. Vielleicht war es ja umgekehrt und ich habe sie mit irgendetwas angesteckt.«
»Das bezweifle ich. Sie gehen ja so gut wie nie allein aus. Wann hätten Sie schon mit einem kranken Menschen in Berührung kommen sollen?«
»Im Park oder auf dem Markt. Andererseits ist Anne da immer bei mir. Oder in der Kirche. Nein, da nehme ich sie ja auch mit.«
»Kein Wunder, dass Sie müde sind. Eigentlich müssten Sie völlig erschöpft sein.«
»Das ist doch gar nichts, verglichen mit Ihren Tagen und Nächten. Sie schlafen so selten in Ihrem eigenen Bett – wenn überhaupt einmal.«
»Ich finde immer ein paar Stunden Schlaf im Manor House. Mein eigenes Bett besitzt im Moment wenig Anziehungskraft für mich.«
Charlotte fühlte, wie sie bei diesen Worten rot wurde. Plötzlich stand ein verlegenes Schweigen zwischen ihnen.
»Entschuldigen Sie bitte. Ich bin sehr müde. Ich habe nicht nachgedacht …«
»Das ist doch verständlich«, flüsterte sie. »Sie vermissen Lizette. Das ist kein Wunder.«
»Vielleicht. Trotzdem …« Er schüttelte den Kopf.
In dem Versuch, die Spannung zu lösen, sagte sie: »Ich für mein Teil habe im Manor House nur selten eine Nacht durchgeschlafen. All der Lärm und dass ich mein Bett mit anderen teilen musste und das alles …«
»Sie …«, er
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