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Die Lagune Der Flamingos

Die Lagune Der Flamingos

Titel: Die Lagune Der Flamingos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofia Caspari
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Mutter sieht das genauso.«
    »Ich denke, ich … Wann ginge es los?«
    »Nächste Woche? Ich möchte vor den Unabhängigkeitsfeiern wieder auf La Dulce sein und das Fest gemeinsam mit meinen Leuten begehen.«
    Nein, das geht nicht, dachte Mina, das geht nicht. Aber was sollte sie tun? Musste sie diese Gelegenheit nicht unbedingt beim Schopf ergreifen?
    »Ich kann nicht gehen.« Mina stemmte die Hände in die Seiten und schaute ihre Mutter an. »Ich habe darüber nachgedacht, und ich kann es nicht.«
    Sehr lange hatte sie ihrer Mutter nicht mehr widersprochen, aber nun war die Zeit gekommen. Seit sie aus Esperanza geflohen waren, hatten sie nur einander gehabt, aber das war nun vorbei. Es war Zeit, die Fühler wieder auszustrecken.
    »Was heißt das?« Annelie fixierte ihre Tochter. »Das ist unsere Gelegenheit, das musst du doch auch so sehen. Endlich geht es wieder bergauf.«
    »Aber ich muss zum Unabhängigkeitstag zur Plaza de la Victoria. Ich muss auf Frank warten.«
    »Dein Frank war letztes Jahr auch nicht da.«
    »Damals ist etwas passiert, ich spüre das. Er konnte nicht kommen. Und wer sagt mir, dass er nicht all die Jahre davor da war, als ich nicht kommen konnte? Ich gehe so lange dorthin, bis mir jemand den unwiderlegbaren Beweis erbringt, dass er tot ist.«
    »Kind! Frank war nicht da, weil er tot ist. Niemand hat ihn mehr gesehen seit seiner Flucht, noch nicht einmal seine Eltern.«
    »Woher willst du das wissen, Mama? Es ist Jahre her, dass wir zuletzt in Esperanza waren. Wir waren seit der Flucht nicht mehr dort. Vielleicht hält man uns für tot …«
    »Das wäre gut.«
    Mina reagierte nicht auf Annelies Worte. »Ich spüre, dass er noch lebt, Mama.«
    Annelie lachte hell auf. »Du spürst das, ja? Dein Gefühl bringt uns hier aber keinen Schritt weiter, Mina. Wir haben den Spatz in der Hand. Nach allem, was geschehen ist, will ich nicht darauf warten, dass noch eine Taube auf dem Dach hinzukommt.«
    Mina schwieg einen Moment, während die Worte ihrer Mutter in ihrem Kopf nachklangen. Annelie hatte sich verändert, seit sie aus Esperanza fortgegangen waren. Sie war weniger ängstlich, aber auch härter und unerbittlicher geworden. Manchmal erkannte sie ihre Mutter nicht wieder.
    »Fahr du voraus, Mama. Ich bleibe hier und warte auf Frank«, beharrte Mina. »Ich komme dann nach.«
    »Auf keinen Fall, du bist eine junge Frau. Ich werde dich nicht allein in dieser Stadt lassen«, entgegnete Annelie.
    Mina verkniff es sich, darauf hinzuweisen, mit welch harter Arbeit sie beide in den letzten Jahren ihr Leben bestritten hatten. Sie kannte die Straßen dieser Stadt zu allen Tages- und Nachtzeiten, aber für ihre Mutter war sie jetzt offenbar wieder das kleine Mädchen.
    »Aber Mama«, sagte sie also, »ich muss versuchen, Frank zu treffen. Ich muss es einfach.«
    »Ach, Kind …« Annelie setzte an, etwas zu sagen, schien es sich dann zu überlegen. »Ich will doch nur das Beste für dich, Mina. Ich will, dass du glücklich bist. Ich will, dass es dir gut geht. Dafür müssen wir gewisse Dinge tun. Diese Dinge sind nicht immer schön, aber was bleibt uns übrig? Señor Brunner ist das Beste, was uns je passieren konnte.«
    »Ich kann das nicht. Ich kann Frank nicht vergessen.«
    »Doch du kannst das. Du hast schon so viel gekonnt, Mina.«
    Annelie strich ihrer Tochter erst über den Arm, zog sie dann näher an sich heran, drückte sie schließlich sogar an sich.
    »Ich will doch nur das Beste für dich, Mina, du bist doch das Einzige, was ich noch habe.«
    Mina schwieg. Annelie konnte ihre Wärme spüren. Ihren leisen Atem. Ihr Körper war angespannt. Annelie überlegte fieberhaft, was zu tun war.
    »Es ist unsere Gelegenheit, Mina«, wiederholte sie.
    »Ich weiß«, flüsterte Mina eine Erwiderung, als Annelie schon geglaubt hatte, sie würde doch nicht mehr antworten.
    Wieder jagten sich die Gedanken in ihrem Kopf. Wie konnte sie die Tochter nur davon überzeugen, dass sie nach La Dulce fahren mussten? Sie unterdrückte einen Seufzer, bevor sie weitersprach.
    »Was würdest du sagen, wenn ich auf Frank warte? Ich komme dann später nach. Und wenn er kommt, bringe ich ihn mit.«
    Mina löste sich unvermittelt von ihrer Mutter. »Das würdest du tun?«
    »Ich würde alles für dich tun, Mina, merk dir das, einfach alles.«

Neunzehntes Kapitel
    In den ersten Wochen nach Olgas Verschwinden hatte Arthur seine Frau fast ohne Unterbrechung gesucht. Sobald es hell geworden war, hatte er sich auf den Weg

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