Die Lagune Der Flamingos
von Blau und Lila ins tiefe Rot mischten. Und dann bemerkte sie es.
Feuer, es riecht doch nach Feuer … O Jesus, es brennt.
Eilig sprang Blanca die Verandastufen hinunter, rannte ein paar Schritte von der kleinen Hütte weg, um sich einen besseren Überblick zu verschaffen. Sie musste nicht weit laufen. Bald sah sie es. Drüben, auf der anderen Seite des kleinen Flusses, brannte es bereits lichterloh. Haushoch schlugen die Flammen in den Morgenhimmel. Das Buschwerk war, nur Gott wusste wie, in Brand geraten. Dicke Rauchschwaden zogen über den Fluss hinweg und ließen ihre Nase kribbeln. Für einen Moment konnte sie sich vor Angst nicht rühren.
Wird der Fluss uns schützen, dachte sie voller Sorge, oder wird das Feuer überspringen und alles hier verzehren? Obwohl sie diesen Ort immer gehasst hatte, so lebte sie doch hier. Hier verdiente sie ihr Geld, hier hatte sie ein Dach über dem Kopf.
Aber erst einmal müssen wir hier fort, hämmerte es im nächsten Moment in ihren Kopf, wir müssen hier fort, ins Stadtinnere, wo es Häuser aus Stein gibt. Dort werden wir sicher sein.
Ein Windstoß brachte die Flammen auf der anderen Seite des Flusses zum Tanzen. Feuerfunken flogen auf, noch dichtere Rauchschwaden bildeten sich. Schon meinte Blanca, die unglaubliche Hitze der Flammen zu spüren. Ihre Haut brannte. Sie machte auf dem Fuß kehrt und rannte zurück zum Haus.
»Mama«, rief sie, »Mama, schnell, wir müssen weg!«
»Was ist denn?«
Corazon klang unwirsch. Sicher brummte ihr der Schädel vom Trinken. Blanca stand schon in der Hütte, suchte mit fliegenden Händen die wichtigsten Sachen zusammen.
»Lass mich in Ruhe«, quengelte Corazon nun wie ein Kind.
»Es brennt, Mama!«
Blanca wickelte ein paar Kleidungsstücke in ein Tuch, packte die Vorräte an Reis und Bohnen ein und griff nach dem kleinen Beutel mit dem gesparten Geld, den sie sogleich in ihre Rocktasche schob.
»Was? Wo?« Corazon starrte ihre Tochter entgeistert an.
»Auf der anderen Seite des Flusses, komm jetzt, Mama!«
Blanca warf ihrer Mutter den Poncho zu. Diese griff danach, verfehlte ihn jedoch und hob ihn stöhnend vom Boden auf. Dann stolperten sie auch schon auf die Veranda hinaus. Blanca ging hinter Corazon, stieß sie ab und an in den Rücken, damit sie schneller lief. Carlitos pulpería ist ein Steinhaus, überlegte sie. Dort werden wir Schutz finden.
Blanca und ihre Mutter mussten heftig husten, der Wind trieb den beißenden Qualm unablässig über den Fluss. Sie rannten ein Stück, dann blieben sie beide wie auf einen geheimen Wink noch einmal stehen und schauten zu dem lodernden Feuerschein hinüber.
»Wer war das?«, klagte Corazon. »Wer hat das getan?«
Diese Frage, dachte Blanca verblüfft, habe ich mir gar nicht gestellt. Doch ihre Mutter hatte Recht. An heißen Sommertagen lief man immer Gefahr, von einem Feuer überrascht zu werden. Manchmal wurde es durch ein achtlos weggeworfenes Zigarillo entzündet, manchmal hatte ein Reisender sein Lagerfeuer nur unzureichend gelöscht. Manchmal suchten Bauern, Wildtiere von ihren Feldern fernzuhalten, oder Soldaten wollten Rebhühner für die Jagd aufscheuchen. In jedem Fall sprang man gewöhnlich beim ersten aufsteigenden Rauch auf die Pferde, um beim Löschen zu helfen. Aber hier …? Niemand regte sich in der Siedlung. Warum nicht? Wie war dieses Feuer ausgebrochen?
Das Angriffsgeheul der Indios erscholl nur einen Bruchteil später. Und in diesem Moment erfasste Blanca, was geschehen war.
Die Indios haben das Buschwerk angesteckt, erkannte sie, sie wollen uns ausräuchern. Sie wollen, dass wir durcheinanderrennen wie kopflose Hühner, und dann einen nach dem anderen von uns töten. In letzter Zeit war immer häufiger von Überfällen auch in ihrer Nähe zu hören gewesen.
Geduckt im Schatten der Häuser zerrte Blanca Corazon weiter. Bald wurde der Rauch noch dichter und machte ihnen das Atmen schwerer, doch die zunehmenden Rauchschwaden boten ihnen auch einen Schutz, den Blanca nicht missen wollte.
Aus der Ferne hörte sie jetzt das Geräusch von Hufschlag und aufspritzendem Wasser. Die Angreifer kommen über den Fluss, schoss es ihr durch den Kopf. Wir müssen uns beeilen. Wir müssen die pulpería rasch erreichen.
Warum waren die Soldaten nicht zu hören? War es nicht ihre Aufgabe, die Menschen hier zu schützen? Aber von den Soldaten in dieser Grenzgegend hörte man ohnehin nur Schlechtes. Wahrscheinlich war der Überfall bisher unbemerkt geblieben, und General
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