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Die Lagune Der Flamingos

Die Lagune Der Flamingos

Titel: Die Lagune Der Flamingos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofia Caspari
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ersten Schluck.
    Sie war überrascht gewesen, Eduard wiederzusehen, überrascht und erleichtert. Im Moment ihres Wiedersehens hatte sie erst verstanden, wie sehr sie ihn vermisst hatte. Natürlich wusste sie Sentimentalitäten vom wahren Leben zu trennen, aber da war immer etwas Besonderes zwischen ihnen gewesen, und auch dieses Mal hatte ihr Herz schneller geschlagen.
    Wie das einer jungen Frau.
    Damals, in den ersten Tagen ihres Kennenlernens, hatte sie sich vielleicht zuerst in Eduards Hunger, in seinem Willen, dem Leben etwas Besseres abzuringen, wiedererkannt. Heute hatte sie sofort verstanden, warum er gekommen war, hatte es vielleicht sogar schneller erkannt als er selbst.
    Rache, dachte sie, Rache ist nie eine gute Lehrmeisterin.
    Als Monica wenig später im duftenden Badewasser lag, musste sie an ihre Mutter denken. Auch ihre Mutter hatte sich rächen wollen für das Unrecht, das man ihr angetan hatte. Wenn Monica heute daran dachte und die Augen schloss, sah sie die alte Voodoo-Hexe vor sich, die ihre Mutter für ihren Racheakt zu Hilfe gerufen hatte. Monica hatte damals alles aus ihrem Versteck heraus beobachtet. Sie hatte den aus einem Knochen geschnitzten Dorn gesehen, der den Körper der kleinen Puppe durchbohrte. Danach war das Püppchen mit einem Draht symbolisch stranguliert worden, bevor es neben einem See im heutigen Parque Tres Palermo begraben worden war. Monica hatte niemals erfahren, gegen wen sich diese Zeremonie gerichtet hatte, aber erkannt, dass ihre Mutter danach nicht glücklicher geworden war.
    Als hätte der Knochendorn ihren eigenen Leib durchbohrt.
    Nein, Rache ist wahrlich keine gute Lehrmeisterin, dachte Monica noch einmal.
    Eduard entschied, einige Schritte zu laufen, um sich abzukühlen, nachdem er Monica verlassen hatte. Noch während er die Gassen entlangschlenderte, spürte er ihre Küsse und Berührungen auf seiner Haut. Er hatte sie ausfragen wollen, denn Monica hatte stets gewusst, was sich in der Stadt tat, aber als sie ihren Hausmantel hatte fallen lassen, war es gleich um ihn geschehen. Sie war immer noch atemberaubend schön.
    Für einen Moment blieb er stehen, legte die Hände in den Nacken, schaute in den Himmel hinauf und nahm den Geruch der Stadt wahr – Geruch von Essen, Menschen, Meer, fauligem Wasser und fauligem Fleisch. Er hatte mittlerweile die Plaza Lavalle erreicht, das Zentrum des jüdischen Lebens in der Stadt. Immer noch herrschte Hochbetrieb. Eduard entschloss sich, doch nach einem Wagen Ausschau zu halten, der ihn weiter nach Belgrano bringen konnte.
    Die junge Frau fiel ihm erst auf den zweiten Blick auf, und dann kam sie ihm gleich bekannt vor. Das war doch das Mädchen aus der pulpería. Wie hieß sie doch gleich? Sie war in der Begleitung einer älteren Frau gewesen, die etwas in ihm berührt hatte. Er hatte sich vorstellen können, sie wiederzusehen, und doch gleich gewusst, dass es dazu wohl nicht kommen würde. Man hatte ihre Namen genannt, das wusste er noch. Nun schien ihm das Schicksal eine zweite Chance zu geben, und Eduard entschied sich, sie beim Schopf zu ergreifen. Entschlossen ging er auf die junge Frau zu.
    »Señorita?«
    Sie drehte sich zu ihm um. Sehr kurz hatte er den Eindruck, sie habe sich erschreckt, dann lächelte sie. Ihr kastanienfarbenes Haar fiel ihr bis weit über die Schultern herab. Dazu passend trug sie ein hellgrünes Kleid, etwas zu auffällig vielleicht und mit zu vielen Rüschen und Zierrat. Trotzdem wirkte sie unschuldig und weniger geübt als manch andere junge Frau auf dem Platz.
    »Señor?«
    »Wir kennen uns oder etwa nicht? Heute Mittag, in der pulpería, nicht weit von hier …«
    Jetzt musterte sie ihn von oben bis unten.
    »Sie sehen eher aus, wie jemand, der sich in der Gegend verlaufen hat«, bemerkte sie dann in keckem Tonfall.
    Doch es klang nicht ganz glaubhaft und etwas bemüht. Sie war offensichtlich angespannt, versuchte aber, es zu verbergen.
    Eduard runzelte die Stirn. »Glauben Sie nicht alles, was Sie sehen«, erwiderte er. »Der Schein trügt. Ich habe lange Jahre in schlimmeren Gegenden als dieser verbracht.« Er dachte nach. »Natürlich«, sagte er dann, »jetzt fällt es mir wieder ein. Sie sind Mina. Und die andere heißt Annelie, habe ich Recht?«
    Das junge Mädchen schien kurz zu überlegen, was es antworten sollte, dann nickte es. »Sie ist meine Mutter.«
    »Und wir waren heute in derselben pulpería«, wiederholte Eduard. »Sie arbeiten dort«, fuhr er fort, »habe ich das richtig

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