Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman
Monna Matilda?«
Laura wollte den Kopf schütteln, doch sie brachte es nicht fertig. Sie verschränkte die Hände hinter dem Rücken und wünschte sich weit weg. Am liebsten hätte sie die Mutter gebeten, mit ihr fortzugehen, doch sie wusste, dass das unmöglich war.
Als hätten ihre Gedanken es heraufbeschworen, krümmte die Mutter sich abermals unter einer Wehe, und das lang gezogene Stöhnen ließ Laura vor Furcht erstarren. Zum ersten Mal in ihrem Leben wünschte sie Monna Pippa herbei. Warum hatte die Nachbarin ihren Mann ausgerechnet auf dieser Reise begleiten müssen?
»Vater kommt bestimmt gleich mit der Hebamme zurück«, sagte Laura hastig, als könnte sie durch diese Bemerkung ein Stück Normalität zurückbringen.
»Der arme Guido«, presste Anna zwischen zwei Schmerzlauten heraus. »Nun muss er Angst um mich haben, und das ist meine Schuld!«
»Du kannst doch nichts dafür, dass du ein Kind bekommst! Und Vater hat bestimmt keine Angst!« Laura flüchtete sich in eine verzweifelte Lüge, und sie stieß sie mit solcher Inbrunst heraus, dass sie beinahe selbst daran glaubte: »Es wird alles gut ausgehen, das weiß ich genau!«
Anna schüttelte den Kopf. Sie schöpfte Atem und stöhnte erneut, bis die Wehe abflachte. »Das Leben mit ihm war ein einziges Lachen und Träumen. Deshalb musste ich ihm folgen, ich konnte nicht anders. Er war mein Retter und mein Held, der mir Sagen von geflügelten Drachen malen konnte. Er hat meine Lieder gehört, weißt du.«
Laura nickte hilflos, ohne zu wissen, was ihre Mutter meinte.
»Ich hätte dich dort lassen sollen«, sagte Anna. »Zum Zeichen der Sühne. Dann wäre vielleicht alles gut geworden. Aber ich konnte es nicht. Der Himmel möge mir vergeben – ich konnte es nicht!«
Anna stöhnte unter der nächsten Wehe auf. Sie umklammerte die Tischkante, den Kopf vorgebeugt, sodass einzelne Strähnen ihres aufgelösten Haars bis auf die Bodendielen hingen, rötliche Streifen vor dem Weiß des Nachthemdes.
Als sich die Tür öffnete, drehte Laura sich erleichtert um. Doch nicht ihr Vater betrat das Haus, sondern ein maskierter Mann.
Der Kopf der Mutter fuhr hoch, und als sie den Fremden erblickte, stieß sie einen unterdrückten Schrei aus, diesmal jedoch nicht vor Schmerz. Auf ihrem Gesicht stand ein Ausdruck nackten Grauens.
Auf der Fondamenta lag eine Ratte, die noch nicht lange tot sein konnte, denn das Blut, das an ihrer Schnauze klebte, war kaum geronnen. Antonio holte aus und kickte den Kadaver in den Kanal. Er konnte damit niemanden verletzen, doch der Tritt half ihm, sich abzureagieren.
Der Kopf tat ihm immer noch weh, und auch innerlich war ihm elend zumute, nicht nur, weil es seiner Schwester schlecht ging, sondern weil Valeria so offen ausgesprochen hatte, was schon seit einer Weile an ihm nagte. Als er vor zwei Jahren mit Cecilia zu der Gruppe gestoßen war, hatte er die Methoden, mit denen Valeria sich über Wasser hielt, auch nicht gutgeheißen, im Gegenteil. Es hatte ihn abgestoßen, so wie die Ratten, mit denen sie das zugige Loch hatten teilen müssen, in dem sie damals übernachtet hatten, und wie die meisten anderen ungewohnten Umstände auch, mit denen er sich nach dem Tode der Mutter hatte abfinden müssen. Mit der Zeit war es ihm jedoch gleichgültig geworden, dass er und seine Schwester bei einer Kinderhure Unterschlupf gefunden hatten. Mehr noch: Es war ihm normal vorgekommen, dass Valeria fremden Männern zu Willen war. Sie hatte immer Geld und konnte jederzeit essen, und von ihnen allen trug sie die am besten erhaltene Kleidung. In den ersten schlimmen Wochen hatte sie sogar ihm und Cecilia etwas von ihrem Geld abgegeben – wenn auch mit der Einschränkung, dass es nur geliehen war und dass sie ein Zehntel als Zinsen verlangte. Er hatte ihr alles bis auf den letzten Bagattino zurückgezahlt, und falls er ihr gegenüber jemals Dankbarkeit empfunden hatte, so war davon schon lange nichts mehr übrig.
Sie hätte ihm herzlich egal sein können, doch zu seinem Unbehagen störte er sich seit einer Weile daran, dass sie sich verkaufte, und in ihm wuchs von Woche zu Woche der Drang, sich mit ihren Freiern zu prügeln oder ihnen sein Messer in den Leib zu rammen. Er hatte keine Ahnung, warum er diese merkwürdigen Gefühle entwickelte, und genau das ärgerte ihn beinahe noch mehr als der Grund seiner Verstimmung.
Er schob sich durch das Menschengewimmel in den engen Gassen, überquerte die winzigen Brücken, die sich über die Kanäle
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