Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman
auf das Gerangel. Stattdessen schob er sich den letzten Bissen des gegrillten Fleischs in den Mund und stand auf. Mit vollen Backen kauend blickte er auf Cecilia nieder und sagte laut: »Ich besorge Obst und Medizin.«
»Keine gute Tageszeit zum Klauen«, sagte Valeria auf der anderen Seite des Bootsrumpfes in dem ihr eigenen trägen Tonfall.
»Ich will nicht klauen, sondern kaufen.«
»Ach? Ich dachte, du wolltest das bisschen Geld für Notfälle aufheben. Eines lass dir sagen, Antonio Bragadin: Von mir kriegst du nur meinen Anteil für die Miete, aber sonst keinen Soldo.«
»Es ist ein Notfall. Meine Schwester hustet Blut. Und habe ich dich vielleicht um Geld gefragt?«
»Du hast es damals getan, und du wirst es wieder tun, nur vielleicht aus anderen Gründen. Wenn du schon die Idee hast, Carlo für das Katzenspiel zu benutzen, wirst du mich bald an Männer verkaufen. Du bildest dir etwas darauf ein, dass du jetzt größer und stärker bist als ich.« Sie reckte sich und warf das lange Haar zurück. »Aber ich lasse mich nicht verkaufen, nur dass du es weißt. Ich verkaufe mich selbst, und das, was ich damit verdiene, gehört mir allein!« Sie legte den Kopf schräg und machte einen Schmollmund. »Aber vielleicht, wenn du gut zu mir bist, ändere ich meine Meinung noch ...«
Er ignorierte ihr Geschwätz und stapfte voller Wut davon.
Die Mutter schrie erneut, und Laura rannte zur Treppe. Als sie nach unten gestürzt kam, rechnete sie mit einem Bild des Grauens, so wie auf den Gemälden in der Kirche, auf denen die hingemetzelten Ungläubigen zu sehen waren, die es gewagt hatten, das Heilige Land zu entweihen und sich den Heerscharen der Gerechten entgegenzustellen.
Doch unten in der Küche gab es weder Blut noch Tote, sondern nur ihre Eltern, denen allerdings Furcht und Aufregung ins Gesicht geschrieben standen.
Anna Monteverdi hatte sich vor den Herd gehockt und hielt sich mit beiden Händen an der steinernen Ummauerung der Kamineinfassung fest. Unter ihren Füßen war es nass, und sie stöhnte tief in der Kehle, ein fremdartiger Laut, der Laura verstörte.
»Mutter!«, rief sie aus. »Was ist geschehen?«
Guido Monteverdi trat von einem Fuß auf den anderen. In seinen Augen stand ein gehetzter Ausdruck. »Deine Mutter hat ihr Fruchtwasser verloren, die Wehen haben eingesetzt. Herr im Himmel, ich dachte nicht, dass es so schnell geht!«
»Heißt das, heute wird das Kind geboren?«
Die Mutter schrie gepeinigt auf, und Laura fuhr zusammen.
Mit wachsendem Schrecken sah sie, wie der Vater zur Tür lief. »Ich gehe die Hebamme holen. Steh du einstweilen deiner Mutter bei!«
Im nächsten Moment war er auch schon verschwunden, und die Tür fiel mit einem Knall hinter ihm ins Schloss.
Die Mutter hatte aufgehört zu stöhnen. Mühsam zog sie sich hoch und drückte sich die Hand ins Kreuz. »Liebe Güte, das waren eben Schmerzen! Man sollte ja meinen, dass ich es noch von früher kenne, aber das Schlimme an einer Geburt vergisst man wohl nur zu gern.«
»Hat es aufgehört?«, fragte Laura hoffnungsvoll.
»Für den Moment.« Anna lächelte und streckte die Hand aus. »Komm her, meine Kleine.«
Laura ließ sich das kein zweites Mal sagen. Sie eilte an die Seite ihrer Mutter und umarmte sie, und es war ihr völlig gleichgültig, dass Annas Hemd von Flüssigkeit durchtränkt war.
»Soll ich dir die Gamurra holen?«, fragte sie eifrig. »Und ein frisches Hemd?«
Anna fuhr ihr sacht über das Haar. »Das wäre eine Verschwendung von guter Kleidung.«
»Warum?«
»Das Kinderkriegen ist nicht nur eine schmerzhafte, sondern auch eine ziemlich unsaubere Angelegenheit.«
Sie beließ es bei dieser dubiosen Andeutung, hatte aber nichts dagegen, dass Laura sie zum Tisch führte, wo sie sich auf einem der Stühle niederließ.
»Möchtest du Wasser?« Laura deutete zur Kochstelle. »Oder eine Schale mit Brei? Es ist noch welcher von gestern da! Ich könnte eine Prise Zimt darübergeben. Das isst du doch so gern!«
Anna schüttelte den Kopf. Sie war bleich, und unter ihren Augen lagen Schatten.
»Hast du Angst?«, platzte Laura heraus. »Davor, das Kind zu bekommen? Oder vor ... anderen Dingen?« Gleich darauf hätte sie sich am liebsten die Hand vor den Mund geschlagen. Wie konnte sie die Mutter etwas so Schreckliches fragen?
Anna Monteverdi starrte ihre Tochter an. »Du hattest böse Ahnungen, nicht wahr? Wer muss gehen? Das Kind? Oder ich? Oder wir beide? Hast du mich in meinem Blut gesehen, so wie damals
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