Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman
so sehr wie ihre rothaarige, verwachsene Gehilfin, und er wusste, dass manche Leute im Sestiere die beiden für Hexen hielten. Doch das war ihm egal; soweit es ihn betraf, konnten die zwei so viel hexen, wie sie nur wollten. Hauptsache, das Zeug, das sie ihm verkauften, machte Cecilia wieder gesund.
Er stieß die Tür zum Laden auf, und scharfer Kräutergeruch umfing ihn. Er kniff die Augen zusammen und versuchte, sich auf die veränderten Lichtverhältnisse einzustellen. Hatte draußen in der Gasse schon Zwielicht geherrscht, schien es hier drin nahezu dunkel zu sein. Durch das mit einer Schweinsblase vernagelte Fenster an der Seitenwand fiel kaum genug Helligkeit, um mehr sichtbar zu machen als die Umrisse von hohen Regalen und Säcken, die davor aufgestapelt lagen. Erst nach mehrmaligem Blinzeln sah Antonio die Frau, die hinter der Theke stand und dort hantierte. Es war die Ältere. Ihr graues Haar war straff zurückgekämmt und größtenteils unter einer ebenfalls grauen Haube verborgen, und auch die Schürze, unter der ihr dürrer Körper beinahe verschwand, war grau. Ihre ganze Erscheinung hätte wie eine trübselige Ansammlung von Farblosigkeit wirken müssen, und doch war das Gegenteil der Fall. Auch diesmal schien etwas Bezwingendes von ihr auszugehen, als sie aufblickte und Antonio taxierte.
»Ah, der junge Bragadin«, sagte sie mit ihrer im Verhältnis zu der mageren Gestalt überraschend kräftigen und melodiösen Stimme, während sie ein Bündel Kräuter zur Seite schob. »Geht es deiner Schwester denn noch nicht besser?«
Er wunderte sich, dass sie seinen Namen noch wusste. Schon beim letzten Mal war es ihm merkwürdig vorgekommen, dass sie ihn nach nur einem Einkauf wiedererkannte und seinen Namen wissen wollte. Er hatte ihn ihr gesagt – den richtigen, ganz gegen seine sonstigen Gepflogenheiten – und hatte dabei ein eigentümlich tröstliches Gefühl empfunden, als ob ihm jemand Anteilnahme entgegenbrachte. Natürlich war das nur eine Illusion gewesen, basierend auf dem geschickten Geschäftsgebaren der Alten, die sich ihre Kunden gewogen machte, indem sie sich ihre Namen merkte und so tat, als sei sie am Zustand der Kranken interessiert.
»Sie hat Blut gehustet«, sagte er widerstrebend.
»Wie sah es aus?«
»Hell und rot, wie von einer Verletzung.«
»Seit wann geht das so?«
»Das Blut kam heute zum ersten Mal. Vorher war in dem Schleim ebenfalls Blut, aber heute war es richtig hell. Sie braucht eine bessere Medizin als das letzte Mal.«
Mittlerweile hatten seine Augen sich an das dürftige Licht im Laden gewöhnt, und er sah sich genauer um. In den Regalen waren dicht an dicht zahlreiche irdene Tiegel und gläserne Gefäße aufgereiht, teils verstöpselt, teils offen. An den meisten hingen beschriftete Stücke von Pergament, ebenso wie an den Leinensäcken, die es in allen Größen in den Regalen und auf dem Fußboden davor zu sehen gab. Auf der Theke standen neben weiteren Säcken, Tiegeln und einem Stapel von Pergamentrollen eine Waage, ein Tintenfass mit darin steckender Feder und ein merkwürdig tickendes Ding, das Antonio erst beim zweiten Hinsehen als Uhr erkannte. Er warf einen begehrlichen Blick darauf und fragte sich, was sie wohl wert sein mochte. Er hatte davon gehört, dass es Uhren gab, die so klein waren, dass man sie auf einen Tisch stellen konnte, doch gesehen hatte er bisher noch keine.
Der Geruch nach Kräutern, Weingeist, Talg und Kampfer mischte sich in der trockenen Luft auf so betäubende Art, dass Antonio heftig die Nase juckte. Er nieste mehrmals und fühlte sich mit einem Mal lächerlich fehl am Platze. »Habt Ihr eine gute Medizin für Cecilia?« Seine Hand fuhr in die Tasche. »Gebt mir die beste! Ich kann sie bezahlen!«
Die Frau musterte ihn, und er meinte, in ihren blassen Augen Kummer wahrzunehmen.
»Ich kann dir etwas mitgeben, das ihre Beschwerden lindert.«
»Geht davon der Bluthusten weg?«
»Das liegt allein in Gottes Hand«, sagte die Frau. Die Antwort kam leise, aber ohne Zögern. Mit glasklarer Schärfe tropften die Worte zwischen ihnen in den Raum und schienen ihn mit all dem Schrecken zu erfüllen, vor dem er bisher hatte fliehen können.
Er dachte an seine Mutter, und mit einem Mal erinnerte er sich auch wieder daran, wie ähnlich es bei ihr verlaufen war. Der zähe, unaufhörliche Husten, das blasse, fast durchsichtige Gesicht mit den dunklen Ringen unter den Augen, der magere Brustkorb. Und schließlich das Blut in den Tüchern, die
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