Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman
binnen weniger Wochen bankrott. Piero musste sogar den elterlichen Palazzo veräußern, um die Gläubiger zu befriedigen. Er hätte zur Not ins Kloster zurückkehren können, doch das lag ihm fern. Die Flucht nach vorn antretend, bewarb er sich bei einer reichen Familie als Hauslehrer. Bevor er über seine eigene Kühnheit erschrecken konnte, hatte er eine gut bezahlte Anstellung bei kostenloser Unterkunft und Verpflegung gefunden. Sein Schützling und ebenso dessen Familie waren begeistert von Pieros Fähigkeiten, die sich rasch herumsprachen. Als der Knabe, den er unterrichtet hatte, für einen Lehrer zu alt wurde, konnte Piero unter einem Dutzend neuer Angebote wählen.
Mansuetta war noch heute stolz darauf, dass er ihrem Ruf gefolgt war. Bei Lichte betrachtet war es natürlich Antonios Angebot gewesen, immerhin bezahlte er das Salär des Lehrers. Aber es war ihre Überzeugungskraft, die ihn dazu bewogen hatte, die Stelle im Hause Bragadin anzunehmen.
Laura behauptete zwar, es liege einzig an dem Braten mit Rosmarin und Schinken, den sie Piero gleich beim ersten Gespräch aufgetischt hatte, doch das hatte Mansuetta kategorisch ins Reich der Legende verwiesen. Sie war der Meinung, sie habe ihm Matteos überragende Intelligenz mit solcher Eindringlichkeit dargestellt, dass er gar nicht anders konnte, als sich dieser besonderen Herausforderung zu stellen.
Allerdings war unbestreitbar, dass es ihnen trotz des anhaltenden Krieges so gut ging wie nie zuvor. Antonio sorgte für die seinen, das musste man ihm lassen, egal was man sonst gegen ihn vorzubringen hatte. In ihren Diensten stand nicht nur der Hauslehrer, sondern auch eine Putz- und Küchenmagd sowie eine Zofe für die Wäsche und die Schlafkammern. Kostgänger und Wohngenosse war außerdem der alte Theaterintendant Raffaele Correggio, und zu guter Letzt dienten ihnen immer noch die unerträglichen Zwillinge als Leibwächter, ein Umstand, mit dem Mansuetta sich nach wie vor nicht recht anfreunden mochte.
Mansuetta tat dem Hauslehrer einen Berg Pasta auf und gab reichlich frisch gebratene Sardinen dazu. Matteos Portion fiel um einiges kleiner aus. Der Junge war zu ihrem Leidwesen ein schlechter Esser. Allenfalls konnte er sich für Süßspeisen begeistern, doch zu viel davon war, wie Mansuetta wusste, eher ungesund. Sie hatte schon Kinder gesehen, denen von zu viel Süßem alle Zähne verrottet waren, bevor sie das Erwachsenenalter erreichten. Matteos Zähne waren dagegen, genau wie ihre eigenen und auch die von Laura, völlig makellos, und sie würde das ihre dazu beitragen, dass sich das nicht so rasch änderte. Das Kauen von Minzeblättchen sorgte nicht nur für frischen Atem, sondern auch für ein reinliches Gebiss, und war keine Minze zur Hand, gab es klein geschnitzte Stücke von Zedernholz, die ähnlich wirkten, und davon hatte Mansuetta immer einen ausreichenden Vorrat in ihrer Kammer.
»Das mit dem Krieg stimmt«, sagte Piero mit vollen Backen kauend. »Jedenfalls zum Teil.« Er spülte den Bissen, den er im Mund hatte, mit ein paar Schlucken verdünntem Wein hinunter, bevor er sich den nächsten Löffel voll hineinschaufelte, um dann, abermals kauend, weiterzusprechen. »Der Papst hat Frieden mit Venedig geschlossen. Heute kam ein Bote von Rom, es wurde überall ausgerufen, am Palazzo Ducale, am Ponte Rialto, vor den großen Scuole.«
»Ist das wirklich wahr?«, fragte Mansuetta ungläubig und mit zaghaft aufkeimender Freude.
»So hieß es.« Piero wischte sich mit dem Ärmel seines Gewandes den Mund ab und trank einen weiteren Schluck Wein. »Seine Heiligkeit, der Papst, ist nun unser Verbündeter. Gemeinsam mit den päpstlichen Truppen wird Venedig den Vorstößen der Liga Einhalt gebieten.«
»Und das Interdikt?«
»Ist vorbei. Der Kirchenbann ist aufgehoben.« Piero hob die Hand. »Hört Ihr die Glocken? Sie läuten alle, sogar die Marangona!«
Jetzt, da er es sagte, hörte sie es auch. Ihre Ohren waren über den letzten Winter nicht besser geworden, doch sie hatte aufgehört, deswegen mit dem Schicksal zu hadern.
Sie bekreuzigte sich. »Dem Herrn sei Dank für diese Wendung! Wenn Venedig nicht mehr gegen den Papst kämpfen muss, ist schon viel gewonnen. Wir werden später in die Basilika gehen, zur Abendmesse, und dort wie früher mit dem Segen des Heiligen Stuhls die Kommunion empfangen.« Tadelnd setzte sie hinzu: »Matteo, schling nicht so, du weißt, dir wird leicht übel davon, wenn du so schnell isst!«
Pietro, der sich soeben eine
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