Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman
deren bösartiger Bruder, der Patrizier Giacomo Cattaneo, war verschwunden. Manche sagten, er sei tot, umgekommen auf der Terraferma, andere behaupteten, er sei zu einer langen Reise in den Orient aufgebrochen. Gleichviel, er war nicht mehr da, das war alles, was für Laura und Antonio zählte.
Mansuetta war im Begriff, ins Haus zurückzukehren, als sie eine Frau sprechen hörte.
»Hier muss es sein, Bartolomeo. Man sagt, es sei das Haus gegenüber der Scuola, und es werde gerade neu verputzt und bemalt. Nein, wirklich, was für ein entzückendes Anwesen!«
In der Stimme der Frau lag ein Ton, der Mansuetta irgendwie aufgesetzt vorkam.
Es handelte sich um eine vornehm gekleidete, verschleierte Dame. Sie saß in einer Gondel, die vor der Fondamenta beim Anbau des Palazzo angelegt hatte. Bei ihr war ein Mann, der das Boot ruderte. Für einen gewöhnlichen Gondoliere war er zu fein gekleidet, aber er trug auch nicht das Schwarz des Patriziers, sondern farbenfrohe Gewänder. Mansuetta hielt verstohlen die Brille vor die Augen, weil sie wissen wollte, wer sich für den Palazzo interessierte.
Das Boot war mit dem Wappen der Querinis bemalt. Auch den Mann erkannte sie sofort. Er hatte Zuane gelegentlich begleitet, wenn dieser zu Besuch gekommen war, um Laura zu treffen.
»Verzeiht, Madonna«, sprach die Frau Mansuetta an. »Könnt Ihr mir etwas über die Bewohner dieses Palazzo sagen? Wir hörten, es stehe zum Verkauf.«
»Nicht mehr«, sagte Mansuetta höflich. »Unsere Familie hat es im letzten Jahr erworben.«
»Eure Familie?«
Mansuetta nickte. »Ganz recht. Genau gesagt, Messèr Bragadin.«
»Ah, der junge Bragadin. Ich sah ihn gelegentlich in unserem Hause. Nennt man ihn nicht den neuen Stern am venezianischen Firmament der Kaufleute? Er vermählte sich letztes Jahr. Die ganze Stadt sprach von dem schönen jungen Paar. Und Ihr seid ...«
»Niemand. Nur eine arme Verwandte.«
»Oh. Nun ja. Das soll es geben.«
Mansuettas erster Impuls war, rasch ins Haus zurückzukehren, doch sie bezwang ihre Unruhe und blieb stehen. Sie verlieh ihrer Miene einen Ausdruck heiterer Gelassenheit und harrte der Dinge. Nach allem, was sie bisher über die Familie Querini gehört hatte, zog sie den Schluss, dass es sich bei der Frau nur um Eugenia Querini handeln konnte, die Schwester Marcello Querinis und damit die Schwägerin jener ominösen Tante Angelica. Sowie ihrer eigenen Mutter, Anna Monteverdi.
Mit einem Mal fing Mansuettas Puls an zu rasen, denn unvermittelt erinnerte sie sich wieder daran, was Laura ihr über diese Frau berichtet hatte. Eugenia Querini war in jahrelanger enger Freundschaft Arcanzola Cattaneo verbunden, jener unberechenbaren und lasterhaften Nonne, die ebenso verbrecherisch war wie ihr Bruder Giacomo.
Mansuetta begriff, dass dieser Besuch keineswegs ein Zufall war. Eugenia Querini war aus einem bestimmten Grund hier.
Sie schaute sich verstohlen um und atmete erleichtert auf, als sie ein Stück weit die Fondamenta hinunter Oratio herumlungern sah. Einer von den Zwillingen war immer in Sichtweite. Ob nun Matteo mit Piero Fioravante auf Entdeckungsreise durch die Stadt streifte oder sie selbst mit der Magd zum Markt ging – entweder Oratio oder Tomàso achtete stets darauf, dass die Familie weder von Straßenräubern noch sonstigem üblen Gelichter bedroht werden konnte.
Mit einem Mal fühlte Mansuetta sich von inbrünstiger Dankbarkeit durchströmt, und sie schwor sich, die Anwesenheit der beiden nie mehr als Last zu betrachten. Allein die Tatsache, dass sie nur einen kurzen Schrei ausstoßen musste, um einen flinken und skrupellosen Messerwerfer an ihrer Seite zu haben, wog alle bisherigen Unannehmlichkeiten mit den beiden unzivilisierten Rabauken auf.
Obwohl sie sich sicher fühlte, behielt sie den Mann im Boot scharf im Auge. Sie fand seit jeher, dass dieser Bartolomeo ein äußerst undurchsichtiger Mensch war, ganz anders als Zuane. Nie hatte sie ihn lächeln sehen, wenn er bei Zuanes Besuchen wie ein Schatten hinter ihm in der Gasse gewartet hatte. Er hatte immer nur reglos und wachsam dort gestanden, aufgeputzt wie ein Pfau, die behandschuhte Rechte am Degen, die andere in den Gürtel geschoben.
»Nun, eigentlich wollten wir das Haus nicht kaufen«, sagte Eugenia. »Uns interessieren eher die Fresken, wisst Ihr. Wir haben von dem Maler gehört.« Die Frau schlug ihren Schleier zurück und präsentierte ihr lächelndes Gesicht. Sie war nicht mehr jung, aber von erlesener Schönheit, mit
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