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Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman

Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman

Titel: Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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Größe und Umfang handelte es sich um den Leichnam Piero Fioravantes.
    Laura hatte ihn nur kurz gekannt, doch die Zeit hatte gereicht, ihn lieb zu gewinnen. Sie verschränkte die Hände zu einem Gebet für seinen Frieden beim Herrn.
    Die Männer rollten den Körper aus dem Laken auf den Karren, und Laura sah, dass es tatsächlich Fioravante war. Er kam auf dem toten Kleinkind zu liegen und deckte dessen Antlitz gnädig mit einem Arm zu. Die Männer stiegen erneut die Treppe hinauf und kamen nach kurzer Zeit mit dem zweiten Toten wieder. Tomàso war in der Nacht gestorben. Bei ihm hatten sich die Beulen nicht geöffnet, sondern ihr tödliches Gift nach innen in den Körper entleert. Es war rasch gegangen, hatte ihr die Pflegerin in der Früh beim Verlassen des Hauses zugerufen.
    Laura presste die Hand vor den Mund, als sie zusah, wie der hagere Körper des Jungen auf den Karren geworfen wurde und wie er mit weit ausgebreiteten Armen und Beinen auf dem Rücken liegen blieb. Bilder aus der Vergangenheit stiegen in ihr auf, und sie sah ihn wieder vor sich stehen, ein kleiner Junge noch, Seite an Seite mit seinem Bruder. Er hatte ihr ein Stück Wurst gestohlen, weil er Hunger litt. Und sie selbst hatte monatelang seine zerlumpte Kleidung getragen ...
    »Leb wohl, Tomàso«, flüsterte sie unter Tränen. »Du warst uns ein guter Beschützer und Kamerad. Möge Gott deine Seele gnädig aufnehmen.«
    Einer der Männer warf das Tuch über den Leichnam, und ohne innezuhalten, zogen sie den Karren weiter, zur Fondamenta. Dort würden sie ihre schreckliche Fracht auf eines der Pestboote laden, die täglich ein anderes, neu ausgehobenes Massengrab ansteuerten.
    Die Pflegerin kam zurück, Laura sah ihre geduckte, ganz in Schwarz gekleidete Gestalt unten in der Gasse. Die Frau war alt, aber sie hatte schon vielen Pestkranken geholfen. Simon hatte gemeint, dass die Stadt ohne Menschen wie sie um vieles ärmer wäre. Antonio hatte sie großzügig entlohnt, doch das war nicht der Grund dafür, warum sie so bereitwillig kam. Für sie war der Dienst am Nächsten der Dienst an Jesus Christus, wie sie sagte. Von der Fondamenta aus heraufrufend hatte sie Laura erzählt, dass ihr in jungen Jahren, als sie selbst schwer pestkrank gewesen war, Sankt Rochus erschienen sei. Leibhaftig sei er an ihr Lager getreten, habe sie gesegnet und ihr aufgetragen, zeitlebens den Pestkranken in ihrer Not zu helfen. Daran, so hatte sie Laura beteuert, habe sie sich seit Jahrzehnten getreulich gehalten, in der Gewissheit, sich damit ihren Platz im Himmelreich zu sichern.
    Sie kam nur noch stundenweise; Raffaele war so weit genesen, dass er kaum noch fremder Hilfe bedurfte, und auch Oratio hatte gute Aussichten, zu gesunden. Simon hatte bei ihm die Beulen aufgeschnitten, worauf das Fieber gesunken war. Oratio war noch schwach, aber bei klarem Bewusstsein. In zwei Wochen, so lautete Simons Prognose, wären beide wiederhergestellt.
    Laura trat von der rückwärtigen Fensterwand zurück und blieb stehen, die Hände ineinander verschränkt und den Kopf geneigt. Aus den Augenwinkeln sah sie sich im Spiegel, und für einen Moment schien es ihr, als gleite ein Schatten über sie hinweg.
    Sie wusste, dass dies der Tod war. Er war ganz nah, aber nicht in Gestalt der Pest. Und er bedrohte nicht nur sie allein!
    Ein Schrei wollte in ihr aufsteigen, den sie nur mühsam unterdrücken konnte. Von Entsetzen getrieben eilte sie durch den Portego hinüber zur wasserseitigen Loggia. Sie trat auf den schmalen Balkon und schaute über die Brüstung. Unten auf dem Kanal trieb mit abgehängter Felze eine Gondel davon. Gelenkt wurde sie von einem Mann, bei dessen Anblick der Atem in Lauras Lungen zu Eis gefror.
    Er trug eine Kappe und trotz der Hitze einen Umhang, doch Laura hätte ihn überall erkannt. Seine Arme waren im Verhältnis zu seinem Körper überlang, wie bei einem Affen. Es war Silvio, der Diener von Cattaneo. Als hätte er gespürt, dass sie ihn beobachtete, drehte er den Kopf und schaute zu ihr herauf, ein breites Grinsen im Gesicht.
    Das Herz trommelte so stark in ihrer Brust, dass Laura meinte, die Rippen müssten ihr bersten. Ohne nachzudenken, rannte sie zur Treppe und dann hinunter, durch den Gang des Mezzà bis in die Küche.
    »Wo ist Matteo?«, schrie sie außer Atem.
    Die Küchenmagd fuhr herum, einen Lappen in der Hand und die Augen aufgerissen. »Herr im Himmel, habt Ihr mich erschreckt!«
    »Wo ist der Junge?«
    Die Küchenmagd zuckte die Achseln. »Ich

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