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Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman

Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman

Titel: Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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Augen stand, weil sie sich davon weniger Schläge und reichhaltigere Mahlzeiten erhofften.
    Es gab auch andere Wege, den Züchtigungen zu entgehen und besser zu essen, schon bevor man für das Waisenhaus zu alt war.
    Suor Arcanzola, die Nonne, die vom Konvent für die Oberaufsicht des Waisenhauses abgestellt war, suchte in unregelmäßigen Abständen neue Eltern für die Kinder aus. Diese Kinder wurden gebadet und neu eingekleidet, und sie bekamen reichlich zu essen, bevor sie von Arcanzola abgeholt wurden.
    Seit Laura in dem Heim lebte, war es erst drei Mal vorgekommen, doch die Kinder, die schon länger hier waren, wussten von anderen zu berichten, denen dieses Glück ebenfalls widerfahren war, und wie alle Kinder in dem Heim betete und hoffte Laura darauf, dass sie vielleicht ebenfalls ausgewählt wurde.
    Laura war atemlos vom Laufen, als sie kurz vor dem Vesperläuten in das Heim zurückkehrte. Die Aufseherin, Monna Paulina, war in der Küche bereits mit den Vorbereitungen für das Abendbrot beschäftigt, sodass Laura unbeobachtet die Stiege zu der Kammer hinaufeilen konnte, die sie mit ihrem Bruder und Lodovica teilte. Ihr blieb gerade noch genug Zeit, sich vor dem Essen rasch umzukleiden.
    Sie besaß für den Winter nur eine wollene Gamurra zum Wechseln, die allerdings erst gestern gewaschen worden war und daher vermutlich noch nicht richtig trocken war.
    Im Flur des zweiten Stocks, wo sich ihr Zimmer befand, begegnete sie zu ihrem Entsetzen der Person, die sie am allerwenigsten hatte treffen wollen. Arcanzola kam zwar recht häufig her, aber selten vor der Vesper. In den letzten Tagen war sie gar nicht da gewesen.
    Sie stellte sich Laura in den Weg und sog schnüffelnd die Luft durch die Nase ein. »Was ist das für ein Geruch? Bratenfleisch?« Sie packte Laura bei der Schulter und zog sie zur Treppe, wo auf dem Absatz ein Talglicht brannte. »Du hast dich schmutzig gemacht! Was sind das für Flecken? Fett, eindeutig. Und das hier? Ah, Blut! Was hast du da am Hals? Einen frischen Schnitt? Wer war das?« Sie starrte Laura ins Gesicht. »Du hast dich herumgetrieben!«
    Laura schwieg auf diese Äußerung, die ohnehin eher eine Anschuldigung als eine Frage war.
    »Du nutzt es aus, dass ihr Kinder tagsüber das Haus verlassen dürft, nicht wahr? Sollten wir lieber dazu übergehen, euch alle einzusperren? Wie würde dir das gefallen?«
    »Ich habe nichts Schlimmes getan! Ich war nur auf der Piazza, beim Karneval!«
    Arcanzola packte ihre Schultern fester und schüttelte sie. »Was hast du da getrieben, du kleines Luder? Sag die Wahrheit!«
    Laura erschrak heftig, denn im ersten Moment war sie sicher, dass Arcanzola auf irgendwelchen unerfindlichen Wegen von dem Tod des betrunkenen Mannes erfahren haben musste. Die Nonne schien ohnehin fast alles zu wissen, was die Kinder tagsüber taten, und manchmal fragte Laura sich, ob Arcanzola die Fähigkeit hatte, durch Wände zu sehen oder in die Zukunft zu schauen.
    »Ich wollte nur die maskierten Menschen sehen«, stammelte sie.
    Arcanzola veränderte ihr Verhalten augenblicklich. Sie ließ Laura los und lächelte ihr undurchsichtiges Lächeln. »Magst du Maskenträger?«, fragte sie, so verständnisvoll und sanft, dass ihre Stimme wie schmelzender Honig war.
    Der Anflug von Erleichterung, den Laura verspürte, verflog im Nu. Kaltes Unbehagen erfasste sie. »Nein«, stieß sie hervor. »Ich mag sie nicht.«
    »Aber gerade sagtest du doch, dass du eigens auf die Piazza gegangen bist, um sie anzuschauen!«
    »Ich wollte sie feiern sehen«, sagte Laura mit einer Spur von Trotz.
    »Warum?«
    »Weil sie fröhlich sind. Weil sie lachen und tanzen und singen.«
    »Du singst selbst gern, nicht wahr? Ich habe gehört, dass deine Mutter eine sehr schöne Stimme hatte. Und die Kinder haben mir erzählt, dass du deinem kleinen Bruder oft Lieder vorsingst. Dem kleinen Matteo. Du liebst ihn sehr, nicht wahr?«
    »Ja«, sagte Laura. Ihre Lippen fühlten sich taub an.
    »Und du tanzt auch gern, das weiß ich. Ich habe dich in der vergangenen Woche im Hof gesehen, mit deinem Bruder auf dem Arm. Du hast ihn auf- und abwippen lassen und mit ihm gelacht und gesungen. Und dabei hast du dich im Takt gewiegt und Tanzschritte gemacht.«
    »Ich kann überhaupt nicht tanzen«, widersprach Laura, diesmal wieder etwas mutiger. Ihr gesamtes Innere rebellierte gegen diese Unterhaltung. Am liebsten hätte sie Suor Arcanzola beiseitegestoßen und wäre in ihre Kammer gestürzt, wo Lodovica und ihr Bruder

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