Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman
sie die wirkliche Pracht dieses Hauses.
Sowohl zur Stirn- als auch zur Rückseite des Gebäudes hin mit einer breiten Fensterfront versehen, war der ganze Saal in ein unwirklich rotgoldenes Licht getaucht, was zum Teil durch die gerade untergehende Sonne bewirkt wurde, zum Teil aber auch durch die bereits brennenden Kerzen, deren Licht von zahlreichen goldgerahmten Spiegeln und dem auf Hochglanz polierten Terrazzoboden zurückgeworfen wurde. Über den mit goldgeprägtem Leder bespannten Wänden verlief ein simsartiges Wandbord, auf dem kostbare Gegenstände aufgereiht waren, Kristallschalen, Pokale, Bronzestatuetten, Miniaturen und anderer Zierrat. An den Wänden standen imposante, wuchtig wirkende Möbel, hochlehnige Stühle, gepolsterte Bänke, geschnitzte Schränke – allesamt sowohl von ihrer Anordnung als auch vom Aussehen her eher repräsentativ als nützlich.
Laura, die dergleichen bisher nur aus den Erzählungen ihres Vaters kannte, blieb der Mund offen stehen, doch sie kam nicht dazu, die unglaublichen Reichtümer dieses Raums näher in Augenschein zu nehmen.
Arcanzola hatte erneut Lauras Hand ergriffen und zog sie hinter sich her, so zielstrebig, als wäre sie schon öfter hier gewesen. Laura folgte ihr bis zu einer Tür am Ende des Portegos, wo die Nonne stehen blieb und anklopfte.
Nachdem eine Männerstimme sie aufgefordert hatte, hereinzukommen, öffnete sie die Tür und schob Laura vor sich her in den dahinterliegenden Raum. Dieses Zimmer war wohnlicher als der Saal, mit bequemen Sesseln, einer großen, von Pfosten gestützten Bettstatt und einem Lesepult, auf dem Bücher lagen.
»Hier ist sie«, sagte Arcanzola.
»Das wurde auch Zeit.« Ein Mann trat hinter dem Pult hervor und lächelte sie gewinnend an. »Die rothaarige Laura. Guten Abend, mein Kind.«
Laura starrte ihn ungläubig an. Dieser Mann war Messèr Cattaneo?
»Aber er ist Veronicas neuer Vater!«, entfuhr es ihr.
Arcanzola legte ihr von hinten die Hand auf die Schulter. »Er hat dich gesehen und es sich anders überlegt. Sei doch einfach froh darüber, dass er dich haben will und nicht sie.«
»Warum mich?«, fragte Laura. Ihr ging nicht das Bild aus dem Kopf, wie er damals auf der Riva degli Schiavoni den toten Sklaven getreten hatte.
»Weil du hübscher bist«, sagte er. »Und du bist rothaarig. Ich stelle es mir sehr ungewöhnlich vor, ein rothaariges Kind zu haben.« Sein Blick streifte ihre Haube. »Wie lang ist es, wenn du die Zöpfe gelöst hast?«
Laura wollte antworten, doch sie brachte kein Wort heraus.
»Es reicht ihr bis über die Hüften«, sagte Arcanzola hinter ihr. Es klang gelangweilt, doch Laura meinte auch eine winzige Spur von Ärger in der Stimme der Nonne wahrzunehmen. Ihre Gedanken irrten hin und her wie aufgescheuchte Vögel, die sich eben noch in Freiheit wähnten und auf einmal merkten, dass sie in einem Käfig gelandet waren.
Cattaneo lächelte nicht mehr, und in Laura verdichtete sich ein beklemmendes Gefühl, das sie nur allzu gut kannte – ein Eindruck von nahender Gefahr.
»Komm her«, sagte Cattaneo. Er trat auf sie zu, und Laura nahm nun bewusst die Unterschiede zu seinem letzten Auftreten wahr. Im Heim hatte er ein Barett getragen, hier bei sich zu Hause war er natürlich barhäuptig. Sein Haar war von einem aschefarbenen Blond, einen Ton heller als der Bartschatten, der im Kerzenlicht zu erkennen war. Seine Augen waren wässrig blau, die Lippen eine Spur zu voll und das Kinn ein wenig zu rundlich, um markant zu wirken. Seine Zähne schienen gesund, seine Statur war aufrecht und kräftig. Alles in allem war er, im Vergleich zu allen anderen Nobili, die Laura bisher auf Umzügen und beim Besuch der Kirche gesehen hatte, recht gut aussehend, und doch wirkte er nicht im Mindesten anziehend auf sie.
Er blieb vor ihr stehen, und instinktiv wollte sie einen Schritt zurückweichen, doch dicht hinter ihr stand Arcanzola, sodass sie keine Möglichkeit dazu hatte.
Cattaneo legte ihr seine Hand auf den Kopf und streifte dann mit einem raschen Griff die Haube ab. Sacht fuhr er zuerst über ihre Locken und dann über ihre Wange.
»Ah, wie weich dein Haar ist! Wie zart deine Haut, und so weiß! Hat jemals ein Mensch so helle Haut gesehen? Nur rothaarige Geschöpfe können diese weiße Zartheit ihr Eigen nennen, niemand sonst. Du bist ein reizendes Kind! Ein bisschen schmutzig und ärmlich gekleidet zwar, aber das lässt sich rasch ändern. Ich habe dein Bad schon vorbereiten lassen.«
Laura, die
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