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Die Landkarte der Finsternis

Die Landkarte der Finsternis

Titel: Die Landkarte der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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von Kurve zu Kurve lauter wird, wie das Knirschen eines defekten Getriebes. Anhalten kommt nicht in Frage. Wir müssen so schnell wie möglich der Reichweite des Heckenschützen entkommen. Doch nach einigen Kilometern gerät das Fahrzeug völlig außer Kontrolle. Das beschädigte Rad spielt verrückt und macht das Lenkrad fast überflüssig. Bruno hält am Rand der Piste, um die Schäden zu begutachten. Er kriecht unter die Motorhaube, während ich mit weichen Knien und klopfendem Herzen Wache halte. Außer den aufgewirbelten Staubwolken, die sich langsam wieder legen, ist keine Bedrohung in Sicht. Bruno kommt wieder hervor. An seiner deprimierten Miene erkenne ich, dass die Schäden katastrophal sein müssen. Er erklärt mir, dass Spurstange und Stoßdämpfer schwer demoliert sind und das Kardangelenk auch bald den Geist aufgeben wird. Da wir weder über geeignetes Werkzeug noch über Ersatzteile verfügen, um die nötigsten Reparaturen durchzuführen, klettern wir wieder ins Fahrergehäuse und setzen unsere Fahrt im Schneckentempo fort, den unberechenbaren Schwankungen des Fahrzeugs die größte Aufmerksamkeit schenkend. Bruno fährt wie auf Eiern, konzentriert sich voll auf die Straße, weicht jedem Stein und allen Spurrillen aus, als hätte er Nitroglyzerin geladen. Von seinem Kinn tropft nur so der Schweiß. Wir schaffen es gerade noch durch ein trockenes Flussbett, aber kaum sind wir an der gegenüberliegenden Uferböschung angelangt, da knallt das Fahrzeug auf die Schnauze. Da ist nichts mehr zu machen. Das Kardangelenk ist hinüber, und es hat das Rad aus der Aufhängung gerissen … Wir sitzen in der Falle.
    Fluchend steige ich auf eine Anhöhe. Als ich oben angelangt bin, bleibt mir fast das Herz stehen: Vor mir erstreckt sich dasselbe Labyrinth, das uns schon seit Tagen den letzten Nerv raubt. Meine Beine geben nach, und ich sacke zu Boden. Die Ellenbogen zwischen den Knien, das Gesicht in den Händen, so liege ich da und blicke nach rechts, blicke nach links und sehe weit und breit nichts als Ausweglosigkeit. Etwas sagt mir, dass die Wüste um unsere Verzweiflung weiß und sich, wenn sie uns bis zum letzten Tropfen ausgequetscht hat, wie eine Faust um uns schließen wird, um uns zu Staub zu zermahlen, der von den Winden mit den Luftspiegelungen verweht werden wird.
    Â»Was gibt es denn da zu sehen?«, fragt Bruno und lässt sich neben mich fallen.
    Ich deute auf die trostlose Verlassenheit ringsum:
    Â»Nichts als die größte aller Einsamkeiten.«
    Â»Wir sind zu zweit«, hält er dagegen. »Und wir leben. Noch ist nichts verloren. Man muss die Lage nur ein wenig entdramatisieren.«
    Â»Dafür habe ich kein Rezept.«
    Â»Hier steckt es drin, das Rezept«, antwortet er, und tippt mir mit dem Finger an die Schläfe.
    Bruno geht mir auf die Nerven.
    Er lässt den Blick über die Felskämme schweifen, deren Silhouetten sich in der Ferne abzeichnen, gräbt einen Stein aus und wiegt ihn in der Hand.
    Â»Hast du schon mal dem Tod ins Auge gesehen, Kurt?«
    Ich antworte nicht, die Frage erscheint mir albern und fehl am Platz.
    Da beginnt er zu erzählen:
    Â»Die größte aller Einsamkeiten, die erlebt man im Angesicht eines Erschießungskommandos. Das kannst du dir nicht vorstellen. Da ergründest du die Ewigkeit. Die Ewigkeit, die sich zwischen zwei Befehlen erstreckt, zwischen ›Anlegen!‹ und ›Feuer!‹. Was vorher war, was nachher kommt, zählt alles nicht.«
    Â»Du wirst mir doch nicht weismachen wollen, dass du auch das schon hinter dir hast.«
    Â»Doch, so ist es. Ich war vierundzwanzig Jahre alt. War mit Rucksack und Kompass auf Tour und hielt mich für Monod. Ich war durch den Tassili, das Hoggar-Gebirge, den Tanezrouft und die Ténéré-Wüste gestreift und hatte mehr Wind an meinen Sohlen als Rimbaud. Es war eine wunderbare Epoche. Lichtjahre entfernt von dem Chaos von heute.«
    Er legt den Stein aus der Hand und lässt seinen Erinnerungen freien Lauf.
    Â»Was ist denn dann passiert?«
    Er lächelt, seine Augen weiten sich.
    Â»Eine Militärpatrouille hatte mich am Ufer des Tschadsees aufgegriffen. Der Unteroffizier hat mich ohne Umschweife der Spionage bezichtigt. Das ist die hiesige Mentalität. Wenn du keine Geisel bist, dann bist du ein Söldner oder ein Spion. Nach einem handfesten Verhör hat man mich vor ein

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