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Die Lanze des Herrn

Die Lanze des Herrn

Titel: Die Lanze des Herrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaud Delalande
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Überwachungsaufgaben. Früher hatten Spione Dokumente gestohlen und von Ost nach West geschafft, hatten sich verkleidet auf Botschaftsempfängen eingeschlichen, Koffer auf Brücken ausgetauscht, Mikrofilme in ihren Backenzähnen hinter der Zyankalikapsel versteckt. Die gute alte Zeit. Heute brauchte man nur einen Internetzugang, dann drückte man auf Enter und schickte sich Informationen, die den Lauf der Welt veränderten. Ob man eine Smith & Wesson bei sich trug oder eine Nahkampfausbildung hatte, war heute für einen Sicherheitsexperten kaum noch von Belang. Besser, man hatte am MIT studiert und las regelmäßig Fachzeitschriften über Elektronik und Zukunftstechnologien. Duncan verspürte Angst, und der Houmous, den er vor einigen Tagen gegessen hatte, lag ihm noch immer im Magen. Wahrscheinlich war er mit knapper Not einer Lebensmittelvergiftung entgangen. Oder seine Beschwerden waren vielleicht nur psychisch bedingt…
    Duncan wusste nur zu gut, welche Schwachpunkte das Sicherheitssystem des Zentrums hatte. Man musste ein Namensschild tragen und den Zugangscode für den jeweiligen Raum kennen, das war alles. Auf den ägyptischen Plänen des Verteidigungsministeriums war das Untergeschoss zwar mit einem perfekten Alarmsystem ausgestattet, doch für das, was tatsächlich noch vorhanden war, hatte Frank Duncan nur ein müdes Lächeln übrig. Wenn er seine Abendrunde machte, verzweifelte er manchmal daran, dass er sich mit einem solch lächerlichen Sicherheitsstandard abfinden musste. Er hatte zwar seine dreißig von Axus Mundi angeworbenen Elite-Söldner. Doch er musste sich neben den Labors auch um die Einfriedung, die Ein-und Ausgänge und die verschiedenen Abteilungen über der Erde kümmern. Und kommunizieren konnte er mit seinen Leuten nur per Funk.
    Er hatte in den vergangenen zwei Tagen aus Nervosität immer mehr Protokolle angefordert und neue Anweisungen gegeben, damit alle Rechner permanent überwacht wurden. Er hatte keinerlei Verlangen, Ernst Heinrichs Geduld auf die Probe zu stellen und herauszufinden, wie er reagierte. Er musste so schnell wie möglich für Ordnung sorgen. Als er den Raum betrat, schien ihm der Moment gekommen, seine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen.
    Er trat zu dem Mann, den Ernst Heinrich bei seiner verbotenen Beschäftigung überrascht hatte. Dieser drückte mit der Naivität eines Schülers auf die Escape-Taste und gab sich trotz seiner offensichtlichen Verlegenheit Mühe, so auszusehen, als wäre alles in Ordnung. Enrique Guzbert. Mit seinem fotografischen Gedächtnis ging Duncan die Akten durch, die er aufmerksam gelesen hatte, um sich das Profil eines jeden Mitarbeiters einzuprägen. Neben den Professoren Park Li-Wonk und Ferreri war Frank Duncan der Einzige, der wusste, wer sich hinter den Namensschildern tatsächlich verbarg.
    Enrique Guzbert…
    Frank sah die Informationen über den Wissenschaftler vor seinem geistigen Auge.
    GUZBERT, Enrique, geboren 1962 in Buenos Aires, Mutter Argentinierin (Tänzerin), Vater Deutscher (Zahnarzt). Harvardstipendiat. MIT. Doktor der Molekularbiologie. Eltern 1971 bei Unfall ums Leben gekommen. US-Staatsbürger. Juli 1991 Heirat mit Felicia Ibanera. Nach sechzehn Jahren bei Pharmaceut. Inc., Nevada, im Oktober 1996 entlassen. Mitglied des Teams von Professor John Parsons. 1998 geschieden. Druckmittel: Tochter Juliette, neun Jahre.
    Frank Duncan musterte Guzbert. Gebräunte Haut, schwarzes Haar, dunkle Augen. Er trug einen kleinen Schnauzbart über den vollen Lippen und hatte ein energisches Kinn. An zwei Stellen oberhalb der Brauen war seine Stirn besonders gewölbt, was ihm ein seltsames Aussehen verlieh. Es fiel ihm schwer, seine Betroffenheit zu verbergen. Frank Duncan verzog abschätzig das Gesicht und verspürte plötzlich ein wohltuendes Machtgefühl. Ein kleines Spielchen würde nichts schaden. Nach der Aufregung, die Ernst Heinrichs Nachricht bei ihm ausgelöst hatte, brauchte er etwas zum Entspannen. Das war nur recht und billig. Der andere deutete ein Lächeln an, das ihm allerdings gleich wieder verging, als der Sicherheitsboss ihn beim Vornamen ansprach.
    »Ach, Enrique.«
    Er legte eine Hand auf das Funksprechgerät an seinem Gürtel und baute sich vor dem Mann auf, der sich auf seinem Drehstuhl das Gehirn nach einer Erklärung zermarterte. Mit listiger Miene fuhr sich Frank Duncan mit der Zunge über die Lippen, den Blick auf die Linse der Kamera in der Ecke des Raumes gerichtet.
    »Ich frage mich, welche Ausrede Ihnen

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