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Die Laufmasche

Titel: Die Laufmasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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»Sie haben mir die falschen Akten gebracht.«
    »Vielleicht sollten wir die Angelegenheit gemeinsam mit Frau Stattelmann aus dem Weg schaffen«, schlug ich vor. Ich war fest entschlossen, nicht zu wanken und zu weichen, bevor die Sache ein für allemal geregelt war.
    Kernig stöhnte wieder. »Nun machen Sie aus einer Mücke doch keinen Elefanten, Frau Trost.«
    Ich starrte ihn wütend an, aber er hielt seinen Blick stur auf die Papiere vor sich gerichtet. Es fehlte nicht viel, und ich hätte mit der Lochzange auf ihn eingedroschen. Zum Glück für ihn klopfte in diesem Augenblick Anja Reisdorf wieder an die offene Türe.
    »Ich sollte Ihnen die Unterlagen von Pferdeglück in Karlsruhe bringen«, sagte sie sehr höflich. »Und das habe ich getan. Da liegen sie.«
    Kernig gab den Ordnern vor sich einen heftigen Schubs.
    »Das haben Sie nicht. Das hier sind die Unterlagen von Nageler Sport in Karlsruhe.«
    »Nageler Sport und Pferdeglück sind identisch«, erklärte Anja ruhig. »Ich dachte, Sie wüssten, dass der Firmeninhaber Nageler heißt.«
    Da hatte er's, der Dummkopf!
    »Sie sind hier nicht zum Denken angestellt, sondern
    für die Ablage«, schnauzte Kernig. »Und jetzt seien Sie bitte alle beide so gut, und gehen Sie an Ihre Arbeit. Dafür werden Sie schließlich bezahlt.«
    Ich knallte die Tür hinter mir zu.
    »Kleines Arschloch«, sagte ich draußen und zitterte immer noch vor Wut. »Sie sind hier nicht zum Denken angestellt ... - Was würde der wohl machen, wenn die anderen nicht für ihn mitdenken würden?«
    Anja zuckte mit den Schultern. »Wenn man ihn lange genug kennt, tut er einem nur noch Leid.«
    Ich bewunderte ihre Gelassenheit. »Wie machst du das nur?«
    »Kickboxen«, erklärte Anja. »Nach Feierabend.
    Fünfmal die Woche. Da baue ich im Nu alle meine Aggressionen ab.«
    »Ich müsste Tag und Nacht Kickboxen, um meine Aggressionen abzubauen«, seufzte ich.

    »Die Stattelmann sagt, ich überschreite meine Kompetenzen«, erklärte ich Beate, als ich mich wieder in meinen Bürostuhl hatte fallen lassen.
    »Ach, was. Die kennt so ein schweres Wort überhaupt nicht. Die hat höchstens gesagt: Die Trost überschreitet ihre Komponenten. Oder Konferenzen.« Beate lachte. »Oder Koniphäen!
    Haha. Die Trost überschreitet ihre Koniphäen, das hat sie gesagt, ich kann es mir lebhaft vorstellen.«
    Mir war nicht nach Lachen zumute. Beate versuchte, mich abzulenken.
    »Bist du an Silvester in Köln?«, fragte sie.
    »Leider ja«, knurrte ich. »Normalerweise sind wir über Weihnachten und Neujahr immer in der Schweiz. Aber ich bekomme ja keinen Urlaub.«
    »Nee«, sagte Beate, »und nächstes Jahr bekommst du
    auch keinen, und wenn sie's dir auf die Bibel schwö-
    ren. Zwischen Weihnachten und Neujahr wirst du hier niemals Urlaub nehmen können, weil da immer das kleine Arschloch Urlaub macht.«
    »Dann bin ich Weihnachten ganz alleine. Zwei Wochen lang«, sagte ich selbstmitleidig.
    »Prima«, sagte Beate und freute sich, »dann kannst du ja zu meiner Silvesterparty kommen.«
    »Ja, vielleicht.« Ich hatte Ninas Party noch nicht verdaut.
    »Dieses Jahr möchte ich, dass alle kostümiert kommen«, teilte Beate mir mit. »Das wird bestimmt lustiger.«
    Ich begann trübselig, die liegen gebliebenen Bestellungen in den Computer zu hacken.
    Kundennummer 241194, Pferdeglück in Karlsruhe, aha, Artikelnummer I34267/PON, Sattelschnurengurt Nylon, weiß, elfmal.
    »Hör mal, wenn wir nicht bald was gegen den Fluch unternehmen, mit dem man dich belegt hat, könnte es zu spät sein.«
    »Wie meinst du das?«
    »Ja, merkst du denn nicht, wie sich das Ganze langsam zuspitzt? Es wird doch immer schlimmer mit dir. Wenn du mich ließest, würde ich endlich Maßnahmen für einen wirksamen Gegenzauber ergreifen.«
    »Also gut«, sagte ich lustlos. »Dann tu was.«
    Beate lächelte leicht. Einen winzigen Augenblick lang schien es mir, als schielten ihre Augen plötzlich, und ihre Nase wurde lang und spitz. Ich blinzelte irritiert, und Beate sah wieder aus wie vorher.
    Während ich mich erneut meinen Bestellungen widmete, vertiefte sie sich in die Tageszeitung.
    »Jetzt hör mal, was hier steht: Schnepper Kostümverleih, ganzjährig Braut- und
    Festtagsmoden, über 2000
    verschiedene historische Kostüme, große Auswahl.
    Wie findest du das?«
    Artikelnummer 113515/52, Damenreithosen mit verstärkter Seitennaht, olivgrün, Größe 52. Das arme Pferd!
    »Das ist doch die Idee. Wir beide in historischen Kostümen auf meinem

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