Die Laufmasche
Mutter. »Meine Verwandtschaft kommt aus einer Zechensiedlung im Ruhrpott und besaß keinen Pfennig, und mein Mann hat seine Eltern leider nie gekannt.«
»Aber ich dachte, Natalies Verlobungsgeschenk sei alter Familienschmuck«, sagte ich.
»Familienschmuck?«, wiederholten Marks Eltern wie aus einem Mund, und Mark fragte: »Verlobung?«
Natalie war knallrot geworden. »Da hast du wohl was missverstanden, Felicitas«, sagte sie gereizt.
»Natalie!«, entfuhr es Frau Hoppe. Sie sah entsetzt aus.
Eine Weile herrschte betretenes Schweigen.
»Ja, dann.« Wölf räusperte sich ausgiebig. »Dann setzen wir uns doch, hchm, zum Essen, würde ich vorschlagen.«
Frau Hoppe winkte mich ungeduldig in die Küche.
Ich war dann während des Essens die meiste Zeit damit beschäftigt, die Speisen gefällig anzurichten.
Immer wenn ich den nächsten Gang hineinbrachte, hörte ich, wie Frau Hoppe Marks Eltern lauter schöne Sachen über Natalie erzählte, während Natalie alles bescheiden von sich wies. Marks Eltern hingegen äußerten sich vor allem lobend über Marks Brüder. Das, sagten sie, seien wirklich talentierte, patente Jungs. Mark hingegen sei immer ihr Sorgenkind gewesen. Häufig krank, gegen so vieles allergisch und dadurch ständig Probleme in der Schule.
»Was wir in den alles an Nachhilfestunden investiert
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haben«, sagte Marks Mutter. »Ich sag' immer, das wäre ein zweites Einfamilienhaus geworden.«
Mark und Wolf beteiligten sich, von gelegentlichen Räuspergeräuschen mal abgesehen, nicht am Gespräch. Dafür sprachen sie eifrig den Weinen zu, die ich ausschenkte. Ihre Gesichter wurden immer röter und ihre Augen immer glänzender.
Zwischen dem letzten Gang und der Nachspeise ordnete Frau Hoppe eine längere Pause an. Ich ließ mir daher viel Zeit mit der Dekoration der Dessertteller und verfütterte die Reste der gefüllten Wachteln an Tessie, Jessie und Kessie, die bettelnd zwischen meinen Füßen herumliefen. Als ich endlich servieren wollte, saßen nur noch Natalie und Frau Hoppe sowie Marks Eltern am Tisch. Wölf und Mark hatten es sich auf der Ledercouch vor dem Fernseher bequem gemacht. Es lief »Sissi« mit Romy Schneider, wie immer an Weihnachten, und keiner von beiden machte Anstalten umzuschalten.
»Du kannst uns noch einen Espresso bringen«, sagte Frau Hoppe zu mir. »Und auf der Anrichte steht ein Fläschchen Armagnac, das wir zur Feier des Tages dekantieren werden.«
Der Armagnac sei sehr wertvoll, informierte sie ihre Gäste, um die Schlappe mit dem Champagner wieder gutzumachen. Wölfs Jahrgang, ein Geschenk seines Geschäftspartners, aus der exklusivsten Brennerei in Frankreich. Marks Vater wollte aber trotzdem lieber beim Wein bleiben, und Marks Mutter musste noch fahren. Ich brachte ihr ein Mineralwasser. Wölf und Mark aber ließen sich den wertvollen Armagnac schmecken, dazu genossen sie den Nachtisch und »Sissi«. Ich hätte mich am liebsten zu ihnen auf die Couch gesetzt. Es gibt Filme, die kann man immer wieder sehen.
Als ich später abräumte, starrten Wolf und Mark immer noch fasziniert auf den Bildschirm, vor ihnen auf dem Tisch die Flasche Armagnac. Sie war fast leer.
»Der Arsch mach' mich ganss swach«, nuschelte Mark.
Wolf schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter.
»Ja, im Vertrauen, die Romy war auch schon immer mein
Typ.«
»Ich Sprech' nich' von Romy, ich mein' den Kerl, den Kaiser Franz Joseph«, korrigierte ihn Mark. »Ich steh' auf Ärsche in Uniform.«
Die fünfzehnte Gelegenheit
UNSERE PRINZESSINNENKOSTÜME HINGEN
gebügelt und gestärkt an der Tür von Beates Kleiderschrank, als ich am Silvesternachmittag bei ihr eintraf. Die albernen Helme baumelten in einer Plastikfolie daneben.
»Irgendwie blöd«, sagte ich.
»Sie sind toll«, rief Beate. »Wir werden bildschön aussehen und trotzdem komisch!«
»Ist ja auch egal«, sagte ich schlecht gelaunt.
»Hier kennt mich sowieso keiner. Eigentlich bin ich nur gekommen, um dir zu helfen.«
Beate warf mir einen scharfen Blick zu. »Erst kümmern wir uns um deinen Fluch. Hast du den Brief da-
*
bei?«
Ich nickte.
»Wunderbar«, sagte Beate. »Wir müssen ihn verbrennen und seine Asche unter die Zutaten mischen, die ich besorgt habe.« Sie zog eine braune Papiertüte aus ihrem Regal und kippte den Inhalt, lauter kleine Papiertütchen und winzige Fläschchen, auf den Tisch. »Die Frau in dem Voodoo-Laden hat mich wirklich nicht gut beraten. Und schlecht sortiert war die auch, du meine Güte.
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