Die Lauscherin im Beichtstuhl - Die Lauscherin im Beichtstuhl
unterscheiden, in welcher Welt ich lebte. Ich war von dem Wunsch getrieben, in den tiefen Wäldern die Stelle zu finden, an der die Herrin der Quelle dieWasser des Lebens hütete. Ich irrte oft tagelang umher, kam abgerissen und schmutzig zurück, war nach und nach immer weniger in der Lage, in meinen hellen Augenblicken den Aufgaben im Kloster nachzukommen. Schließlich enthob mich vor sieben Jahren der Bischof des Amtes. Man empfahl mir eine lange Wallfahrt, und so kam ich schließlich hier in das Kloster von Knechtsteden. In der Abgeschiedenheit der Bibliothek gesundete ich allmählich wieder, und der Zwang, in die Wälder zu gehen, legte sich.«
Meiko hatte bei der Erzählung die Augen wieder geschlossen, jetzt aber, als Melvinius verstummte, blickte er wieder auf.
»Ihr seid einen langen, gewundenen Weg gegangen, Pater.«
»Ja, das bin ich. Und nun habe ich das Ziel meiner Wanderungen erreicht.«
»Wie das?«
»Hier traf nun alles zusammen, Meinhard. Du erinnerst dich an jene Stumme, die wieder sprechen konnte und die mich verfluchte. Das war Stella, die Frau, die ich beschuldigt hatte, eine Hexe zu sein. Für ihr Leid trage ich die Verantwortung. Du tauchtest hier auf, zusammen mit deinem Sohn, die letzte Verbindung zu meiner Tochter. Und hier im Wald fand ich, wonach ich in meiner Heimat in meinem Wahn gesucht hatte. Den Kristall, der das Haar der Fee umschloss, die heilende Quelle, deren Wasser dir geholfen hat, das Fieber zu besiegen.«
»Aber Pater – das sind Märchen!«
»Für dich ist es ein Märchen, eine Verkettung von Zufällen vielleicht. Für mich ist es ein Wunder.« Melviniushob mich von dem Lager und setzte mich auf seinen Schoß. »Du hast diese Katze in meine Bibliothek gebracht, Meinhard. Sie hat, ob wissentlich oder einfach aus tierischem Instinkt heraus, dazu beigetragen, dass ein Unrecht geheilt wurde.«
Meiko sah mich nachdenklich an.
»Sie ist eine seltsame Katze, das kann auch ich nicht leugnen. Sie hängt an Euch, mehr als ich es je bei einem Tier erlebt habe.«
»Falsch, Meinhard. Sie hängt an dir.«
»Mau!«
»Aber...«
»Lass es dir von deinem Sohn erzählen, was sie tat. Ich höre, er ist gekommen, um dich zu sehen, und er wird sehr glücklich sein, dich wieder unter den Lebenden anzutreffen.«
Melvinius setzte mich auf das Lager und erhob sich. Ich aber fand es nachdrücklich an der Zeit, mich meinen eigenen Problemen zu widmen, und schloss mich ihm leise maunzend an, als er die Stube betrat. Mein eindringliches Kratzen an dem Deckelkorb verstand er sofort und öffnete ihn für mich.
»Du willst nach Hause, Mirza?«
»Mau!«
»Nun, dann komm, Dicke. Ich bin sicher, Meinhard wird morgen auch wieder im Kloster sein.«
Das nächste Kapitel schrieb die Natur mir vor. Ausschließlich sie!
Ein natürliches Kapitel
Ich verbrachte die Nacht bei Melvinius, aber in den Morgenstunden spürte ich, es war an der Zeit, die Hütte aufzusuchen. Ich schlich mich aus der Kammer und trollte mich in Richtung Kräutergarten. Raureif hatte die letzten Blätter und braunen Halme weiß gefärbt, trockenes Laub knisterte unter meinen Pfoten. Der Winter würde bald seinen kalten Griff verstärken, und mich dauerten die Kleinen, die nun auf die Welt drängten. Hoffentlich fand ich genug Nahrung für sie.
Durch das Fenster sprang ich in die Hütte und richtete mir auf dem Deckenlager eine gemütliche Kuhle ein. Dann nahm ich die Aufgabe in Angriff, die die Natur mir gestellt hatte.
Das Tageslicht war schon im Schwinden begriffen, als sich vier kleine, blinde Würmchen sauber geputzt und gesättigt an meinen Bauch drängten. Ich schnurrte sie in den Schlaf, um ihnen das Einleben in dieser Welt zu erleichtern. Es waren hübsche Kätzchen, und ich war ziemlich stolz auf sie. Eines war schwarz und würde weiße Stiefelchen und einen weißen Latz bekommen, zwei weitere waren ganz und gar schwarz, und ein viertes würde wohl einmal meine roten Ohren haben. Wir verbrachten eine ruhige Nacht miteinander. Manchmal drückten sie hungrig ihre kleinen Tatzen in meinen Bauch, und wenn sie getrunken hatten,putzte ich sie sorgfältig von oben bis unten ab. Einzig auf sie konzentrierte ich meine ganze Fürsorge, nichts anderes war in dieser Zeit von Wichtigkeit.
Am dritten Tag klapperte es am Fenster, und Diabolo sprang in die Hütte. Er hatte doch wahrhaftig eine Wurst dabei!
»Dachte, du könntest hungrig sein«, murmelte er verlegen und linste nach dem Welpenhaufen an meinem Bauch.
»Könnte
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