Die Lauscherin im Beichtstuhl - Die Lauscherin im Beichtstuhl
Basilika, um mir die Fortschritte an dem Fresko anzuschauen.
Das vierte Bild näherte sich der Vollendung. Mit Genugtuung bemerkte ich, wie sich die trübe Stimmung der Natur auch in dem Gemälde widerspiegelte. Schwarze und graue Wolken bildeten den Hintergrund zwischen den Säulen, nur ein heller Strahl durchbrach sie, wie ein Blitz im Gewitter. Er beleuchtete die vier Gestalten im Vordergrund. Kristin pinselte mit Hingabe an einem Frauengewand – grün mit einem zierlichen roten Blumenmuster am Saum. Ihre Zunge schaute dabei ein wenig zwischen den Lippen hervor, ganz wie eine Katze, die sich versunken nach dem Putzen dem Wohlgefühl der Reinheit hingab. Ich beobachtete die Malerin an diesem Tag ganz unauffällig. Für eine freundschaftliche Plauderei mit Leckerbissen und Streicheln war später noch Zeit.
Meiko schlenderte in die Basilika, sehr leise, fast lautlos wie auf weichen Pfoten. Kristin bemerkte ihn nicht, ich aber spürte seine Schritte und nahm seinen Geruch wahr. Er hatte der Apfelscheune einen Besuch abgestattet.
Auch er blieb, wie ich, versonnen das Bild betrachtend stehen. Dann aber tat er etwas Ungewöhnliches.
Auf dem Bord, wo Kristin die Farbtöpfe aufgereiht hatte, tauschte er mit geschwinder Hand die beiden Tiegel mit der grünen und der roten Farbe aus. Dann machte er wieder einen Schritt zurück und lehnte sich an eine Säule.
Kristin pinselte weiter, ohne etwas bemerkt zu haben.
Meiko räusperte sich leise und meinte: »Eine düstere Szene, Meister Clemens. Doch nicht ohne Dramatik!«
»Was?... Oh... ach, Meiko, ich habe dich gar nicht gehört.«
»Ihr wart sehr versunken in Eure Kunst. Ich bewundere sie aufrichtig!«
Kristin machte einen Schritt zurück und prüfte das Gemälde mit etwas Abstand.
»Ja, ich denke, diese Licht- und Schattenwirkung ist beeindruckend.«
Sie nahm aus dem Topf mit dem roten Farbpulver eine gewisse Menge und verrührte es in einem Napf mit etwas Wasser. Dann malte sie gewissenhaft das rote Muster weiter.
Meiko wirkte befriedigt. Doch seiner Stimme war nichts anzuhören, als er weiter fragte.
»In Eurem Häuschen in Dellenhofen ist alles inOrdnung, Meister Clemens? Pater Melvinius trug mir auf, Euch meine Hilfe anzubieten, sollte es etwas zu richten geben.«
»Nein, nein, es steht alles zum Besten, Meiko. Trotzdem danke.«
»Und es gab auch keine weiteren Belästigungen?«
Kristin wandte sich mit fragendem Blick um, und Meiko ergänzte: »Nun, es hieß, es sei bei Euch eingebrochen worden.«
»Ach das. Nein, so etwas ist nicht mehr vorgekommen.«
»Habt Ihr denn wenigstens selbst den Schatz der alten Moen gefunden?«
Er lächelte ein wenig spöttisch.
»Du glaubst auch daran?«
»Warum nicht? Sie war eine alte Frau, sparsam und fleißig. Aber nicht immer muss ein Schatz aus Gold und Münzen bestehen. Vielleicht besaß sie auch wertvolle Dokumente, die ihr einen Anspruch auf etwas bescheinigen.«
»Du hast eine lebhafte Fantasie, Gärtnerbursche. Ich... äh, meine Schwester hat sehr gründlich das Häuschen geputzt. Wenn irgendwo etwas versteckt gewesen wäre, hätten wir es bestimmt gefunden. Und es an der richtigen Stelle abgegeben. Wie es sich gehört, nicht wahr, Meiko?«
»Natürlich. Wie es ehrenwerte Leute machen.« »Und nicht in einem Korb aus dem Haus geschafft, nicht wahr, Meiko?«
Der Gärtner sah in die blitzenden Augen und schien einen Moment lang verwirrt. Dann lachte er laut auf. »Oh, das Dorf hat viele Augen. Ja, ja, ich habe amTodestag der Moen einen Korb mit einem wertvollen Besitz aus dem Haus mitgehen lassen. Das kostbare Gut, mein lieber Meister, sitzt direkt hinter Euch und wartet darauf, gestreichelt zu werden.«
Ich erhob mich also – ›wertvoller Besitz‹ hatte mir geschmeichelt –, um mich Kristin zu nähern.
»Oh!«, meinte sie verdutzt. »Mirza?«
»Ich habe sie mitgenommen, damit sie nicht zur Streunerin würde. Und habe sie Pater Melvinius übergeben, damit sie in der Bibliothek die Mäuse verjagt.«
Jetzt kicherte Kristin auch und streichelte mich.
»Kleiner Schatz!«, murmelte sie mir in die Ohren.
Meiko, der das sehr weibliche Geräusch geflissentlich überhörte, sah zufrieden mit sich aus und verabschiedete sich mit den Worten: »Ich will Euch nun nicht aufhalten, Meister Clemens, es war nur ein wenig Neugierde, die mich hergetrieben hat. Doch besucht später die Apfelscheune. Wir haben frischen Apfelmost gepresst, der Euch und Eurer Schwester sicher munden wird. Nehmt einen Krug oder zwei davon
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