Die Lebküchnerin
betritt freiwillig die Küche. Außerdem sind nicht alle solche Klatschbasen wie Walburga …«
»Ich weiß nicht …«, murmelte Dietlinde zweifelnd.
»Bedenkt nur, wie viel kostbare Zeit Euch verloren ginge, wenn Ihr weiterhin in der Küche bleiben würdet …«
»Schon, ich spüre förmlich, dass ich es bald geschafft habe. Wenn ich mich nur weiter ungestört in das Leiden des Herrn versenken könnte, wäre ich bald am Ziel. Doch was habt Ihr davon? Warum solltet Ihr mir ein solches Angebot machen? Mein Seelenheil dürfte Euch kaum am Herzen liegen.«
»Ich?« Gekünstelt stöhnte Benedicta auf und redete in dermaßen hochtrabendem Ton weiter, dass Agnes die Lachtränen in den Augen standen.
»Ich habe Buße zu tun. Strenge Buße, denn ich diene dem Herrn zu wenig. Mir fehlt es an Demut. Ich hasse es, in einer Küche zu stehen, genau wie Ihr, aber ich will diesen Dienst als Strafe auf mich nehmen. Und Euch, die Ihr mir im Glauben so weit voraus seid, dieses Opfer bringen.« Benedictas Stimme klang so ernst, dass Dietlinde ihr zu glauben schien.
»Aber, aber …« Mehr brachte sie nicht heraus.
»Lasst gut sein, ehrwürdige Schwester, geht schnell an Eurer Werk, und lasst mich hier meine Sünden bereuen.«
Dietlinde zögerte noch, bedankte sich dann aber überschwänglich.
»Ich tue es allein für mein eigenes Seelenheil. Ihr braucht Euch nicht zu bedanken. Ich bin Euch zu Dank verpflichtet«, erklärte Benedicta verschmitzt. »Ihr müsst mir nur eines versprechen …«, fügte sie dann leise hinzu.
»Ach, das hätte ich mir denken können! Die Sache hat doch einen Haken«, unterbrach Dietlinde ihre Mitschwester.
»Nein, es ist nur zu Eurem Wohl! Sollte uns irgendjemand auf die Schliche kommen, müsst Ihr schwören, dass die Lebkuchen von Euch sind. Ihr kennt doch unsere Priorin. Sie duldet keinen Ungehorsam, auch dann nicht, wenn man sich dessen im Namen des Herrn schuldig machte.«
»Oh, habt vielen Dank, Ihr seid so umsichtig«, erwiderte Dietlinde ehrlich gerührt über Benedictas Selbstlosigkeit und eilte mit dem Schwur auf den Lippen, niemandem auch nur ein Sterbenswort zu verraten, von dannen.
Erst als sie längst um die Ecke gebogen war, brach Agnes in schallendes Gelächter aus, und Benedicta fiel erleichtert mit ein.
6
Benedicta nahm eine Schürze vom Haken und band sie sich geschickt um. »Wo sind die übel schmeckenden Fladen, die den wohlklingenden Namen Lebkuchen nicht verdienen?«, fragte sie voller Schaffensdrang.
Agnes führte sie sogleich in die Speisekammer und deutete auf Berge von fertigen hellbraunen Pfefferkuchen.
»Das sind die Lebkuchen für Nürnberg. Übermorgen kommt ein Bote des Klosters und holt sie ab.«
Benedicta überlegte. Was sollte sie damit anfangen? Sie den Mönchen und Nonnen nach Nürnberg senden und nur für Engelthal neue backen? Aber hatten die frommen Schwestern und Brüder nicht auch Besseres verdient als diese schrecklich schmeckende Speise?
Benedicta stieß einen tiefen Seufzer aus. »Werft sie den Schweinen zum Fraß vor!«, ordnete sie an und erntete mit diesen Worten die staunenden Blicke der Küchenmädchen.
»Wer von euch ist bereit, mit mir in den nächsten Tagen, wenn es sein muss, auch in den Nächten beim Schein der Fackel in der Küche zu stehen, um schmackhafte Lebkuchen zuzubereiten? Dafür dürft ihr davon so viel essen, wie ihr wollt.«
Angewidert verzogen sie die Gesichter.
»Ich verspreche euch, dass jene Lebkuchen, die wir unter Anleitung von Schwester Benedicta backen, eine wahre Köstlichkeit sind und dass sie euch hervorragend munden werden!«, rief Agnes voller Begeisterung.
Die Küchenmädchen blieben weiterhin misstrauisch.
»Holt den Honig herbei!«, rief Benedicta.
Bei der Erwähnung des süßen Nektars hellten sich die Gesichter der Mägde sogleich auf.
»Ihr müsst mir aber eins versprechen: kein Wort zu den ehrwürdigen Schwestern! Wenn ihr gefragt werdet, dann sagt, alles geschehe unter Aufsicht von Schwester Dietlinde«, ergänzte Benedicta und bekam ganz rote Wangen vor lauter Aufregung. Dann verteilte sie die Aufgaben.
»Ihr zwei holt den Honig, du bringst mir Zimt und Kardamom. Und du besorgst mir Zucker und Mehl.«
»Zucker? Nein, ehrwürdige Schwester, das darf ich nicht. Den teuren Zucker hat Schwester Dietlinde verschlossen. Wir dürfen ihn nicht nehmen«, widersprach eine Küchenmagd, ein Mädchen von etwa vierzehn Jahren mit rotem Haar.
»Wie heißt du?«, fragte Benedicta.
»Theresa«, erwiderte das
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