Die Lebküchnerin
doch lieber im Gasthof etwas essen. Ich habe solchen Hunger!«
»Der Himmel strafe dich!«, schalt die Mutter ihren Sohn und fügte wütend hinzu: »Du bist viel zu gefräßig! Hast du immer noch nicht begriffen, dass diese Hure frei herumläuft und dir dein Erbe streitig macht? Wie kannst du überhaupt ans Essen denken, bevor sie eingemauert ist?«
Conrat konnte diese Reden seiner Mutter kaum mehr ertragen. Seit Wochen sprach sie von nichts anderem, als dass Benedicta sie eines Tages aus ihrem Haus verjagen oder sie gar wie einen räudigen Hund ertränken würde. Sie wird den Teufel tun und freiwillig nach Regensburg zurückkehren, dachte Conrat. Sie weiß doch, was sie erwartet, wenn sie auch nur einen Fuß in ihr Elternhaus setzt. Die Angst der Mutter vor ihrer Stieftochter war ihm unverständlich. Und der unbändige Hass war ihm fremd. Er war ein gutmütiger Mensch, der zu seiner Zufriedenheit nichts als erfolgreiche Geschäfte und gemütliche Stunden bei einem üppigen Mahl brauchte. Nun war allerdings ein Wunsch hinzugekommen. Er wollte der Tochter des Tuchhändlers Teffler einen Antrag machen. Das war der eigentliche Grund, warum er überhaupt mit der Mutter nach Nürnberg gereist war. Bisher hatte sich noch keine Gelegenheit ergeben, ihr zu gestehen, dass er sich ein Weib ins Haus holen wollte. Die Mutter hatte bislang an allen heiratswilligen jungen Frauen etwas auszusetzen gehabt, und Conrat befürchtete, dass sie ihn für sich allein haben wollte. Doch dieses Mal wollte er sich das Mädchen nicht ausreden lassen. Ich muss nur einen günstigen Zeitpunkt abpassen, sprach er sich gut zu. Aber das war gar nicht so einfach. Seine Mutter war nur von dem einen Gedanken besessen: Benedicta aufzuspüren und dem Rat zu übergeben. Er wunderte sich allerdings darüber, dass sie so gar nichts von seinen Gefühlen für Marie zu merken schien. Er glaubte, jeder müsse es ihm an der Nasenspitze ansehen, wie verliebt er war. Noch hatte er Marie seine Liebe nicht gestanden. An der Art ihres Lächelns glaubte er aber zu erkennen, dass sie nur darauf wartete.
Die zeternde Stimme der Mutter riss ihn aus seinen Gedanken. »Wir werden jetzt die ganze Stadt nach ihr absuchen, denn sie ist zurück zum Stadttor geeilt. Sie wird mir nicht entkommen. Siehst du, ich habe doch geahnt, dass sie sich hinter den Mauern der Stadt Nürnberg verkrochen hat. Was haben die Ratsherren sich gewunden! Nein, niemals würden wir eine entflohene Nonne hinter unseren Stadtmauern beherbergen, haben sie getönt. Ich habe doch gleich gewusst, dass sie sich nur herausreden.«
»Mutter, bitte, was wollt Ihr bloß von ihr? Warum lasst Ihr sie nicht in Ruhe? Freiwillig wird sie sich bestimmt nicht in Eure Nähe begeben. Sie hat gewiss große Angst vor Euch.«
»Ich werde erst wieder ruhig schlafen, wenn ich sie hinter dicken Mauern weiß – oder noch besser am Grund …« Sie stockte.
»Mutter, was wolltet Ihr gerade sagen?«
»Ach, nichts. Wir eilen jetzt zum Haus von Teffler. Wozu sitzt er im Rat? Die Ratsherren sollen endlich etwas unternehmen. Von wegen mir zu erzählen, nein, nein, in Nürnberg sei sie sicher nicht. Ha!«
Peter Teffler zeigte sich nicht erfreut, als seine Gäste ihn schon wieder wegen der entlaufenen Nonne belästigten. Den jungen Tuchhändler schätzte er überaus, aber seine Mutter war ihm zuwider. Die wollte ihre Stieftochter ja lieber heute als morgen lebendig eingemauert sehen. Es schüttelte ihn, aber er durfte Adelheit von Altmühl nicht gänzlich verprellen. Schließlich war er nicht abgeneigt, ihrem Sohn seine Marie zur Frau zu geben. Er hoffte nur, der junge Mann möge ihr endlich einen Antrag machen.
»Ihr glaubt also, dass Ihr sie gesehen habt?«, fragte er scheinbar neugierig.
»Was heißt hier glauben? Wir habe sie mit eigenen Augen gesehen. Wie ein Bettelweib war sie angezogen.«
»Ihr habt sie auch gesehen, Conrat?«
»Ich habe nicht hingesehen, aber ich weiß auch nicht, ob ich sie noch erkennen würde. Sie war vierzehn, als Mutter sie ins Kloster brachte«, bemerkte Conrat zögernd.
»Es genügt ja, dass ich sie entdeckt habe. Was gedenkt der Rat zu tun?«
»Gute Frau, wir müssen ihrer erst einmal habhaft werden. Und …« Er hielt inne und runzelte die Stirn. »… dann werden wir den Fall dem Provinzial übergeben.«
»Dem Provinzial?«, kreischte Adelheit. »Er tut doch so, als wäre das alles nie geschehen. Ihm ist nur der gute Ruf von Engelthal wichtig.«
»Ja, das behauptet er, aber wenn Ihr
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