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Die leere Wiege: Roman (German Edition)

Die leere Wiege: Roman (German Edition)

Titel: Die leere Wiege: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Dugdall
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fragen, warum du mich überhaupt zu dir eingeladen hattest – diese verzweifelte Frau, die bloß auf Sex aus war. Auf dem Fußboden stand ein Reisewecker. Es war kurz vor Mitternacht. Du kamst herein, in jeder Hand einen Kaffeebecher. Du gabst mir den angeschlagenen.
    »Die Milch hat so komisch gerochen, deshalb ist der Kaffee schwarz.«
    »Kein Problem. Vielen Dank.« Ich blies über den dampfenden Kaffee. Mein Magen war viel zu verkrampft, als dass ich etwas hätte trinken können.
    Du legtest eine CD ein. Eine Art Blues erklang. Dann setztest du dich neben mich, mit gekrümmtem Rücken, und nipptest an deinem Kaffee.
    »Ich muss langsam los, Jason.«
    »Was ist mit dem Kaffee?«
    Ich nahm einen Schluck und verbrannte mir die Zunge an dem kochendheißen Getränk.
    »Ich begleite dich nach Hause«, botest du an, klangst jedoch zögernd.
    »Das ist nicht nötig. Nach der Arbeit gehe ich ja auch immer allein nach Hause.«
    »Aber jetzt ist es Mitternacht.«
    Ich stand auf. Ich wollte fort von hier, wollte wieder leichter atmen können und allein sein. Aber gleichzeitig wollte ich bleiben. Du zogst deinen Pullover aus, und das T-Shirt darunter saß wie angegossen. Demnach würdest du mich nicht nach Hause begleiten. Du riebst dir über die Lider. »Mann, bin ich fertig.«
    Ich wollte deine Gastfreundschaft nicht länger strapazieren und ging allein nach Hause.

18.
     
     
     
    Du warst erst vor ein paar Monaten in Suffolk angekommen und hattest noch keine Freunde gefunden. Mich wunderte, dass du nicht nach Newcastle zurückkehrtest, aber ich wagte es nicht, dich danach zu fragen. Auch über Emma wollte ich nichts wissen, denn ich war mir sicher, dass du sie immer noch liebtest. Ich wollte nicht aus deinem Mund hören, dass du hofftest, sie komme zu dir zurück. Auch wollte ich nicht an das Foto denken, das in deinem Portemonnaie steckte.
    Wir gingen ins Palace und sahen uns einen James-Bond-Film an. Das Palace hatte zwei Kinosäle, einer so heruntergekommen wie der andere, aber vor dem Hauptfilm ging eine alte, verhutzelte Frau mit einem Tablett herum und bot Tee und Kaffee an.
    Du warfst mir einen Seitenblick zu. »Ich wette, das Kino stammt noch aus den Zeiten der Arche Noah.«
    »Mir gefällt es.«
    Das Palace war immer nur zu einem Viertel gefüllt. In dem James-Bond-Film waren nur eine Handvoll Zuschauer, ein Gruppe Jungen, die ganz hinten saß, und wir. Als das Licht ausging, konnte ich mich kaum auf den Film konzentrieren, denn dein Arm auf der Lehne zwischen uns lenkte mich ab, ebenso deine lang ausgestreckten Beine. Ich schaute auf die Leinwand, doch mein Blick zuckte immer wieder zur Seite, auf deine Beine und rastlosen Hände. Wie ein Schulmädchen hoffte ich, du würdest eine Hand auf meinen Schenkel legen. Ich lehnte mich zurück und tat, als konzentrierte ich mich auf die Handlung, aber meine Gedanken waren die ganze Zeit nur bei dir. Neunzig Minuten lang erlitt ich Höllenqualen.
    »Wie wär’s mit einem Absacker?«, fragtest du anschließend.
    »Gute Idee. Sollen wir ins Grosvernor gehen?«
    »Nein, zu mir.«
    Diesmal war dein Zimmer aufgeräumt, das Bett gemacht, nirgends lagen Kleidungsstücke herum, und die CDs waren ordentlich gestapelt. Eine Flasche Rotwein stand bereit, daneben zwei Gläser, die nicht zusammenpassten. Du hattest gewusst, dass ich mitkommen würde. Und ich betete darum, alles richtig zu machen.
    Ich war ein komischer Kauz. Achtundzwanzig Jahre alt und immer noch Jungfrau, mit einem knochigen Körper und Brüsten, die wie halb aufgegangener Teig aussahen. Ich war eigenartig, aber mein Leben war bisher ja auch eigenartig gewesen. Meine beste Freundin war eine fast siebzigjährige Witwe, und ein grässlicher Junge namens Alfie war der Einzige, der mich jemals anziehend gefunden hatte.
    Du entkorktest den Wein, eine teure Flasche, die aus dem Weinkeller des Hotels stammte, und schenktest die beiden Gläser voll. Ehe du mir mein Glas reichtest, trankst du deines in einem Zug aus. Auf deinem Mund blieb ein Rotweinrand zurück, deine Lippen waren zusammengekniffen. Du fülltest dein Glas auf. Ich trank mit verkrampftem Magen und spürte den warmen Alkohol, der wie Medizin schmeckte. Mir wurde übel. Du stelltest die Stereoanlage an. Dieselbe Musik wie beim ersten Mal erklang. Du setztest dich so dicht zu mir aufs Bett, dass ich die Bartstoppeln auf deinem Kinn sehen konnte, ebenso wie die Sommersprossen auf deinem Nasenrücken. Ich wollte von dir berührt werden, aber ich hatte Angst.

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