Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Legende

Die Legende

Titel: Die Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gemmell
Vom Netzwerk:
Sie blickte über die Wellen zu der fernen Linie, durch die sich das Land vor dem mondhellen Himmel abzeichnete.
    Dieser Anblick beruhigte sie immer, die Verschmelzung von Land und Meer. Als Kind in der Schule von Dros Purdol hatte sie es geliebt zu segeln, vor allem nachts, wenn das Land wie ein schlafendes Ungeheuer der Tiefe zu treiben schien, dunkel und geheimnisvoll und wunderbar unwiderstehlich.
    Plötzlich wurden ihre Augen schmal. Bewegte sich das Land? Zu ihrer Linken schienen sich die Berge zurückzuziehen, während zu ihrer Rechten die Küste näher zu kommen schien. Nein, nicht schien. Sie kam näher. Virae warf einen prüfenden Blick auf die Sterne. Das Schiff hatte nach Nordwesten gedreht! Dabei waren sie noch Tage von Dros Purdol entfernt.
    Verwirrt ging sie nach achtern zu dem Zweiten Steuermann, der am Ruder stand.
    »Wohin fahren wir eigentlich?« fragte sie, stieg die vier Stufen hinauf und lehnte sich an die Reling.
    Sein Kopf drehte sich zu ihr. Leere, blutrote Augen hefteten sich auf sie, als seine Hände das Ruder losließen und nach ihr griffen.
    Angst durchzuckte sie wie eine Lanze und wurde nur von aufloderndem Zorn überdeckt. Sie war schließlich nicht irgendein Milchmädchen, das so leicht zu erschrecken war. Sie war Virae, und in ihren Adern floß das Blut von Kriegern.
    Sie senkte die Schulter und schlug ihm die rechte Faust ans Kinn. Der Kopf des Mannes kippte zurück, doch er kam weiter auf sie zu. Sie trat zwischen die ausgestreckten Arme, packte seine Haare und stieß heftig mit dem Kopf gegen sein Gesicht. Er nahm es ohne einen Laut hin. Seine Hände fuhren an ihre Kehle. Sie wand sich verzweifelt, ehe sein Griff fester wurde, und warf ihn mit einem Hüftschwung um, so daß er hart mit dem Rücken auf die Planken prallte. Virae taumelte. Er stand langsam auf und kam erneut auf sie zu.
    Sie rannte vorwärts, sprang hoch, drehte sich in der Luft und hämmerte ihm beide Füße ins Gesicht. Wieder stürzte er.
    Und stand wieder auf.
    Von plötzlicher Panik erfüllt, suchte Virae nach einer Waffe, konnte jedoch keine finden. Geschmeidig sprang sie über die Reling des Ruderstands und landete auf dem Deck. Der Mann folgte ihr.
    »Weg von ihm!« rief Serbitar, der mit gezogenem Schwert herbeigestürmt kam. Virae lief auf ihn zu.
    »Gib es mir!« rief sie und riß ihm das Schwert aus der Faust. Zuversicht durchströmte sie, als ihre Hand sich um den Ebenholzgriff schloß. »Jetzt aber, du Hurensohn!« rief sie und bewegte sich auf den Seemann zu.
    Er machte sich nicht die Mühe, ihr auszuweichen. Das Schwert blitzte im Mondlicht auf und traf seinen Hals. Noch zweimal schlug Virae zu; dann fiel der grinsende Kopf vom Rumpf. Doch der Körper stürzte nicht.
    Öliger Rauch drang aus dem Halsstumpf und bildete einen formlosen, vagen Kopf. Glühendrote Augen glitzerten im Rauch.
    »Zurück!« rief Serbitar. »Zurück!«
    Diesmal gehorchte sie und zog sich zu dem Albino zurück.
    »Gib mir das Schwert.«
    Vintar und Rek liefen herbei.
    »Was, um alles in der Welt, ist das?« flüsterte Rek.
    »Nichts von dieser Welt«, antwortete Vintar.
    Das Ding blieb stehen, die Arme vor der Brust verschränkt.
    »Das Schiff treibt auf die Felsen zu«, sagte Virae, und Serbitar nickte.
    »Es will uns vom Ruder fernhalten. Was meinst du, Vater Abt?«
    »Der Zauber wurde ihm in den Kopf gepflanzt. Wir müssen ihn über Bord werfen. Das Biest wird ihm folgen«, antwortete Vintar. »Greif es an.«
    Serbitar rückte vor, Rek an seiner Seite. Das Wesen bückte sich, packte mit der rechten Hand seinen Kopf an den Haaren und drückte ihn an die Brust. Dann wartete es auf den Angriff.
    Rek sprang vor und hieb es in die Stirn. Es taumelte. Serbitar lief herbei und zerschnitt die Sehnen in den Kniegelenken. Als es stürzte, hämmerte Rek seine Waffe beidhändig gegen den Arm. Der Arm fiel herab, die Finger ließen den Kopf los, der über das Deck davonrollte. Rek ließ sein Schwert fallen und jagte hinterher. Seinen Ekel unterdrückend, hob er den Kopf an den Haaren und schleuderte ihn über die Reling. Als er auf dem Wasser auftraf, lief ein Zittern durch den Körper des Wesens. Wie von einer starken Bö getrieben, wehte der Rauch vom Hals über die Reling und in die Dunkelheit der Tiefe.
    Der Kapitän löste sich aus den Schatten am Mast. »Was war das?« fragte er.
    Vintar ging auf ihn zu und legte ihm sanft eine Hand auf die Schulter.
    »Wir haben viele Feinde«, sagte er. »Und sie haben große Macht. Aber fürchte

Weitere Kostenlose Bücher