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Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)

Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)

Titel: Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Charan Newton
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darum, ständig hier und da auf kleine Missionen zu gehen.«
    Mit diesem einen Satz hatte Jurro es geschafft, Brynds gesamte Laufbahn herabzusetzen.
    »Ihr müsst mich eines Tages mitnehmen, denn ich würde gern mehr vom Archipel sehen. Vielleicht kommen mir dabei Erinnerungen, und ich erkenne etwas aus meiner Vergangenheit wieder. Und womöglich macht es mir sogar Spaß.«
    »Warum nicht, wenn es irgendwie nützt? Aber Ihr habt offenbar noch nichts von unserer letzten Mission erfahren.«
    Brynd berichtete dem Dawnir eingehend, was in den Tagen zuvor geschehen war.
    »Eine wirklich schwierige Lage«, bestätigte Jurro. »Ich werde mein Ohr für Euch lauschend an den Boden halten, wie es in Villjamur so schön heißt.«
    »Danke«, sagte Brynd. »Habt Ihr vom Kaiser gehört?«
    »Ja. Auch das ist seltsam. Aber er war geistig nie recht auf der Höhe, oder?«
    »Ich fahre seine ältere Tochter abholen, damit sie unsere neue Kaiserin wird.«
    »Jamur Rika? Natürlich. Ist sie nicht noch ein Kind?«
    »Nein, sie ist zwanzig.«
    »Wie rasch ihr Menschen erwachsen werdet!« Der Dawnir schien über diese Beobachtung höchst erheitert zu sein.
    Sie sprachen noch ein Weilchen über Neuigkeiten aus der Stadt und über die Flüchtlinge vor den Toren. Dann begann Jurro über die Wildblumen von Dockull und Maour zu schwadronieren. Da Brynd sich das nicht lange anhören konnte, unterbrach er ihn behutsam.
    »Jurro, Ihr wisst vermutlich nichts über die Morde, die uns aus Tineag’l gemeldet wurden, oder?«
    »Morde?« Nachdenklich richtete Jurro seine gewaltigen Hände wie eine Turmspitze auf.
    »Ich denke nicht, dass es sich um eine Stammesfehde handelt. Vielleicht ist ja eine neue Gattung aufgetaucht?«
    »Davon weiß ich nicht das Geringste, würde aber gern mehr darüber erfahren. Nach dem, was ich gelesen habe, hat seit zigtausend Jahren keine Gattung mehr im großen Stil zu morden vermocht. Fossile Überreste solcher Untiere gibt es natürlich, und zwar auf Y’iren. Ich werde Nachforschungen anstellen.«
    »Danke«, sagte Brynd. »Ich gehe jetzt besser. Wenn ich zurück bin, schaue ich wieder vorbei.«
    »Lebt wohl, Brynd Lathraea«, sagte der Dawnir und wandte sich dabei bereits anderen Dingen zu.
    »Wisst Ihr, Brynd, was Euer Problem ist?«, fragte Apium. Sie lehnten im ›Kreuz & Sichel‹ am Tresen. Es war kurz vor Mitternacht und kaum etwas los. Die Hand noch am Krug, war ein Veteran der Neunten Dragoner an einem Tisch in der Ecke in seiner Uniform eingeschlafen. Zwei ältere Rumel saßen kameradschaftlich schweigend in der Nähe. Im Kamin prasselte ein behagliches Feuer, und die leeren Gläser, die eine junge Kellnerin in die Küche trug, klirrten leise. Die Taverne war eine von denen, die auf ihre Ausstattung Wert legten: Die Spiegel waren mit Milchglasornamenten verziert; das dunkle Holz stammte von weither; die Lampen waren hell genug, dass auch Frauen gern hier tranken.
    »Sagt es mir«, erwiderte Brynd. Es war nicht das erste Mal, dass der Hauptmann ihm erklärte, was sein Problem war. Und gewiss auch nicht das letzte Mal.
    Der Kommandeur nahm wieder einen Schluck Bier.
    »Ihr seid ein Schwächling«, legte Apium los. »Das seid Ihr, ein Schwächling. Ihr fresst alles in Euch hinein und beklagt Euch nie. Für diese Ratsherrn seid Ihr doch nur ein Stück Dreck.«
    »Wirklich?«, fragte Brynd. »Danke für Euren Rückhalt!«
    »Leistet Ihnen doch ab und an mal in Eurem Interesse Widerstand – das solltet Ihr wirklich. Ich hätte das längst getan!«
    »Ihr seid nicht gerade ein Diplomat, was?«
    »Mit Diplomatie können wir Soldaten keinen Krieg gewinnen.«
    Brynd bedachte die Wahrheit dieser Feststellung.
    »Vielleicht habt Ihr recht.« Beim Reden merkte er, dass Apium nach der Kellnerin sah, die eifrig die Tische säuberte. »Seid Ihr noch da, Hauptmann?«
    »Ich war im Geiste bei ihr«, stellte Apium fest. »Das war ich, seit wir hier reingekommen sind.«
    Brynd musterte ihn. »Hört mit der Gafferei auf. Habt Ihr denn keinen Anstand?«
    »Nein, damit bin ich nicht gewappnet. Und deshalb sind meine anderen Sinne denkbar scharf.«
    Brynd schüttelte lachend den Kopf und sinnierte dann wortlos an der Theke.
    Weil sie ganz oben in der Stadt zechten, hatten sie nicht weit zu gehen, um die Kasernen des Balmacara zu erreichen. Brynd empfand diese bevorzugte Unterbringung als Luxus und Verschwendung, da sie oft fern der Stadt im Einsatz waren und Flüchtlingsfamilien diese Bauten bequem hätten nutzen können.

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