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Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)

Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)

Titel: Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Charan Newton
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erkennen. Seine Arme waren grotesk verbogen, ein Bein so stark angeschwollen, dass die Hose gerissen war. »Wie mag es dazu gekommen sein, Kommandeur?«, fragte Lupus.
    »An diesem Messer«, erwiderte Brynd und wies auf die Waffe, die noch in der Brust des Toten steckte, »haftet vermutlich eine Giftmixtur, die mir gegolten hat. Und ich gehe nicht davon aus, dass er ein Einzeltäter war.«
    Schweigend drängten sich die Nachtgardisten um die Leiche; dann entfernten sich einige, als wollten sie dem scheußlichen Anblick nicht zu nahe sein; zwei, drei Soldaten wechselten einen Blick. Brynd achtete auf all dies. Ihrer Körpersprache zufolge war das Ganze für alle so rätselhaft wie für ihn.
    »Das versteh ich nicht«, begann Tiendi erneut. »Warum wollte er Euch umbringen?«
    Weil ich schwul bin und nach seinem Verständnis von Männlichkeit abscheulich. Weil seine Glaubensüberzeugungen es ihm geboten haben? »Ich kann nur vermuten, dass er mit meinen Entscheidungen irgendwie nicht einverstanden war.«
    Vereiste Stufen führten in den Haupthof der Zitadelle hinab, deren moos- und flechtenbewachsene Mauern das Geviert noch düsterer wirken ließen. Traurig und noch immer schockiert stellte sich die Nachtgarde ehrerbietig in einer Reihe auf, an der Brynd, Lupus, Brug und Mikill eine Bahre mit dem in Seide gewickelten Leutnant Nelum Valore entlangtrugen. Von den Ausgucken blickten einige Leute auf die schwarzgekleideten Trauernden hinunter.
    Morgendlicher Schneeregen umwehte Brynds Gesicht, als er die sterblichen Überreste seines alten Freundes – denn das war er, egal, was er getan hat – mit drei Kameraden zum Scheiterhaufen trug. Der skeptischen Blicke seiner Soldaten war er sich dabei sehr bewusst. Einige Nachtgardisten waren dagegen gewesen, einem Verräter eine würdige Feuerbestattung zu gewähren.
    Auf Kommando stampfte die Soldatenreihe mit dem linken Fuß auf und führte die rechte Faust an die Brust. Brynd und Lupus nahmen das vordere Ende der schwarz verhüllten Bahre mit Nelums Leichnam, schoben sie behutsam auf den in Kopfhöhe angebrachten Rost und traten wieder in die Reihe der Nachtgardisten zurück. Brynd befahl, den Scheiterhaufen zu entzünden, und jemand warf eine Fackel unter das Holz. Langsam fraßen die Flammen sich aufwärts, bis sie ein Leuchtfeuer unter dem dunklen Himmel bildeten.
    »Ich hoffe, die Götter, zu denen Ihr Euch bekannt habt, sind Euch gnädig, Leutnant«, flüsterte Brynd und starrte in die flirrende Hitze.
    Lupus beugte sich zu ihm vor. »Das war richtig – eine anständige Geste angesichts dessen, was er vorhatte.«
    »Er war immerhin Nachtgardist, Soldat. Und letztlich doch ein anständiger Mann.«
    Das Beste, was das Reich zu bieten hatte, war in einem Raum hoch auf der Nordseite der Zitadelle aufgereiht. Der Lärm des Gefechts rückte immer näher wie ein aufziehender Sturm. Angst lag in der Luft, als Brynd zusah, wie die Kultistin Blavat ihre Phiolen auf einem Tisch anordnete. Er studierte all die kleinen Glasbehälter und wusste bereits, in welcher Abfolge sie drankommen würden. Die Zeit schien sich ewig zu strecken, und er verlor sich immer wieder in Gedanken.
    Der Rest seiner Einheit war missmutig und stand mit verschränkten Armen nachdenklich schweigend da. Brynd nahm sich vor, die Moral seiner Truppe zu stärken, da er gerade jetzt ihren vollen Einsatz brauchte.
    Lupus machte freiwillig den Anfang, und seine Partnerin Beami stand bereit, die zweite magische Stärkung der Truppe vorzunehmen. Er zog das Hemd aus und legte sich auf den Sockel. Die anderen warteten ab und sahen traurig zu, als bereitete er sich auf den Tod vor. Relikte aus Stahl und Kristall wurden in Griffweite gelegt, Anoden an seinen Kopf gesetzt. Dann blickten Lupus und Beami sich ein letztes Mal in die Augen, und schon bekam er die magische Stärkung gespritzt. Er keuchte laut, ballte die Fäuste und stürzte zu Boden. Beami half ihm vorsichtig auf und führte ihn zu einem Stuhl an der Wand, wo er die eine Hand an den Bauch drückte und sich mit der anderen den Kopf rieb.
    Alle sahen ihn erwartungsvoll an. Er wirkte frisch und wohlauf und entgeistert über seine erweiterten Kräfte, die er nun – sehr zu Brynds Erregung – beschrieb.
    Die anderen taten es ihm zügig nach, erst Tiendi, dann Syn, Mikill, Brug, Smoke, Haal, Bondi und schließlich der Rest: Spritze, Aufkeuchen, Kollaps, mühsames Aufstehen, große Frische.
    Dann näherte sich auch Brynd dem Sockel und entblößte die Brust vor

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