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Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Titel: Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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lassen.
    Ja. Es gibt hier genügend Nahrung. Nach einiger Zeit werde ich zurückkommen, um zu sehen, ob es dir gutgeht. Ich denke, du wirst dich hier wohl fühlen. Du lernst zu jagen, Mäuse erst, dann größeres Wild…
    Du verrätst mich. Du verrätst das Rudel.
    Nein. Wir gehören nicht zusammen. Ich lasse dich frei, Cub. Wir kommen uns zu nahe, das ist nicht gut, für keinen von uns. Von Anfang an habe ich dir gesagt, daß ich keinen Bund schließen werde. Wir dürfen uns nicht gegenseitig so stark beeinflussen. Es ist besser für dich, fortzugehen, allein, um zu leben, wie es dir bestimmt ist.
    Mir ist bestimmt, einem Rudel anzugehören. Er bannte mich mit seinem starren Blick. Willst du mir sagen, es gibt Wölfe in der Nähe, solche, die einen Eindringling in ihrem Revier dulden und in ihr Rudel aufnehmen werden?
    Ich mußte zur Seite schauen. Nein. Es gibt hier keine Wölfe. Man müßte viele Tage wandern, um einen Ort zu erreichen, wo noch Wölfe frei umherstreifen.
    Was gibt es dann hier für mich?
    Nahrung. Freiheit. Dein eigenes Leben, unabhängig von mir.
    Einsamkeit. Er zeigte mir die Zähne, dann ging er in einem weiten Kreis um mich herum zur Tür. Menschen, hörte ich bitter. Auf der Schwelle blieb er stehen und sah über die Schulter zu mir zurück. Menschen sind es, die glauben, sie könnten anderer Leben beherrschen, ohne sich ihnen zu verbinden. Denkst du, einen Bund zu schließen oder nicht, das ist allein deine Entscheidung? Mein Herz gehört mir. Ich gebe es, wem ich will. Ich gebe es nicht einem, der mich von sich stößt. Auch nicht werde ich einem gehorchen, der Rudel und Bruderschaft leugnet. Hast du geglaubt, ich bleibe hier, um in diesem Menschenbau herumzuschnüffeln und die Mäuse zu fressen, die kommen, um sich von ihren Resten zu ernähren? Um zu sein wie die Mäuse, ein Schmarotzer? Nein. Wenn wir nicht Rudelbrüder sind, dann schulde ich dir gar nichts, am allerwenigsten Gehorsam. Ich werde nicht hierbleiben. Ich werde leben, wie es mir gefällt.
    Ein Unterton von Schläue. Er verbarg etwas, doch ich erriet, was es war. Du kannst tun, was du willst, Cub, nur eins nicht. Du darfst mir nicht zurück nach Bocksburg folgen. Ich verbiete es.
    Du verbietest? Du verbietest? Verbiete dem Wind, um dein steinernes Haus zu wehen, oder dem Gras, in der Erde zu wachsen, die es umgibt. Soviel Recht hast du. Du verbietest.
    Er schnaufte verächtlich und wandte sich von mir ab. Ich nahm alle Willenskraft zusammen und sprach ein letztes Mal zu ihm. »Cub!« sagte ich mit meiner Menschenstimme. Verblüfft drehte er sich wieder herum. Der Ton, in dem ich gesprochen hatte, veranlaßte ihn, die Ohren zurückzulegen. Er wollte mir trotzig die Zähne zeigen, doch ich kam ihm zuvor und stemmte gegen ihn. Es war etwas, das ich schon immer gekonnt hatte, instinktiv, wie man die Hand vor der Hitze der Flamme zurückzieht. Allerdings machte ich nur selten davon Gebrauch, denn Burrich hatte die Kraft einmal gegen mich gewendet, und ich traute ihr nicht immer. Diesmal war ich nicht behutsam wie damals, als er im Käfig saß. Der mentale Rammstoß traf ihn wie ein körperlicher Angriff. Er machte einen weiten Satz nach hinten, dann stand er mit gespreizten Beinen im Schnee, bereit zur Flucht. Seine Augen waren voller Erschrecken.
    »GEH!« schrie ich ihn an, Menschenwort, Menschenstimme und gleichzeitig stemmte ich gegen ihn, mit aller Macht, die ich besaß. Er floh, würdelos, mit schwerfälligen Sätzen und Sprüngen durch den tiefen Schnee. Ich versagte es mir, ihm zu folgen, um sicherzugehen, daß er nicht stehenblieb. Nein. Das war vorbei. Was ich getan hatte, war mehr, als mich von ihm zurückziehen, ich hatte jede Verbindung zwischen ihm und mir durchtrennt, endgültig. Doch während ich auf die Stelle im Unterholz starrte, wo er verschwunden war, fühlte ich eine Leere, ein brennendes Prickeln von etwas, das nicht mehr da ist, das fehlt. Vergleichbares habe ich von Leuten gehört, denen ein Glied amputiert wurde. Das Suchen des Körpers nach einem Teil, der unwiederbringlich verloren ist.
    Ich verließ die Hütte und begann den Marsch nach Hause. Je weiter ich ging, desto größer wurde der Schmerz. Kein körperlicher Schmerz, aber einen besseren Vergleich habe ich nicht. Ein Gefühl, so roh und nackt, als hätte man mir die Haut abgeschält und das Fleisch von den Knochen. Schlimmer als damals, als Burrich mir Nosy wegnahm, denn diesmal hatte ich es mir selbst angetan und trug allein die Verantwortung

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