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Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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ein Wort. Nach ein, zwei Minuten stand ich ebenfalls auf und folgte ihr. »Bleib nicht zu lange«, warnte Krähe mich in düsterem Ton. Der Wolf schob sich hinter mir nach draußen.
    Die Nacht war frostklar; der Wind nicht schlimmer als gewöhnlich. Vertraut gewordene Unbilden lassen sich fast ignorieren. Kettricken sammelte weder Holz, noch fütterte sie die Jeppas. Beide Arbeiten waren längst getan worden. Sie stand dort, wo die Straße abbrach, und starrte in den Abgrund vor ihren Füßen. Ihre aufrechte, steife Haltung war die eines Soldaten, der seinem Vorgesetzten Meldung macht. Sie gab keinen Laut von sich. Ich wußte, daß sie weinte.
    Alles hat seine Zeit, höfische Etikette, förmliches Protokoll und Menschlichkeit. Ich trat zu ihr, nahm sie bei den Schultern und drehte sie zu mir herum. Sie verströmte unsäglichen Jammer. Der Wolf neben mir stieß ein hohes Quiemen aus.
    »Kettricken«, sagte ich einfach. »Er liebt dich. Er wird dir keine Schuld geben. Er wird trauern, wer würde das nicht? Was Edels Taten anbetrifft, das sind Edels Taten, für die du nicht die Verantwortung trägst. Du hättest ihm nicht Einhalt gebieten können.«
    Sie wischte sich mit dem Handrücken über die Augen und blickte stumm an mir vorbei. Im Sternenschein war ihr Gesicht eine bleiche, starre Maske. Sie seufzte schwer, aber ich konnte spüren, wie der Kummer sie würgte. Ich legte die Arme um meine Königin, zog sie an mich und drückte ihr Gesicht an meine Schulter. Unter meiner Hand auf ihrem Rücken fühlte ich die ungeheure Spannung in ihrem Körper.
    »Alles wird gut«, log ich. »Alles wird gut, nur Geduld. Ihr werdet wieder zusammen sein, ihr werdet ein anderes Kind haben, und nebeneinander werdet ihr im Thronsaal von Bocksburg sitzen und den Musikanten lauschen. Es wird Frieden herrschen. Du hast Bocksburg nie im Frieden erlebt. Veritas wird Muße haben zum Jagen und Fischen, und du wirst ihn begleiten. Wie früher wird er gleich dem Nordwind durch die Burg stürmen, und seine Rufe und sein Lachen werden durch die Gemächer hallen. Die Köchin pflegte ihn aus der Küche zu jagen, weil er sich Fleisch vom Braten säbelte, bevor er fertig war; solchen Hunger brachte er von der Jagd mit. Er stibitzte sich eine Hühnerkeule vom Spieß und fuchtelte damit wie mit einem Schwert, während er in der Wachstube seine Jagdabenteuer zum besten gab...«
    Ich tätschelte Kettrickens Rücken, als wäre sie ein Kind, und erzählte ihr Geschichten von dem freimütigen, offenherzigen Mann, an den ich mich aus meiner Kindheit erinnerte. Eine Weile ruhte ihre Stirn an meiner Schulter, und sie verhielt sich völlig still. Dann hustete sie einmal, als würde ihr die Kehle eng, aber statt dessen brach ein furchtbares Schluchzen aus ihr heraus. Sie weinte laut und rückhaltlos wie ein Kind, das nach einem bösen Sturz nicht nur aufgeschlagene Knie hat, sondern auch Angst. Es waren Tränen, die sich über lange Zeit hinweg in ihr aufgestaut hatten, und deshalb ließ ich sie weinen. Dabei redete ich weiter auf sie ein und streichelte ihren Rücken und hörte selbst kaum auf das, was ich sagte, bis ihr Schluchzen allmählich verebbte. Schließlich löste sie sich von mir, trat einen Schritt zurück und suchte in ihrer Tasche nach einem Schnupftuch. Sie wischte sich Gesicht und Augen trocken und putzte sich die Nase, bevor sie versuchte zu sprechen.
    »Ich werde schon damit fertig werden«, sagte sie, und zu hören, wie fest sie daran glaubte, tat mir in der Seele weh. »Nur jetzt ist es... ist es schwer. Immer daran zu denken, daß ich ihm diese vielen schlechten Nachrichten bringen muß. Zu wissen, wie sehr es ihn schmerzen wird, all das zu hören. Man hat mich gelehrt, was es heißt, Opfer zu sein, Fitz. Von Anfang an wußte ich, daß mir das Leben vielleicht viel Schweres bringen würde. Ich bin stark genug, um das zu ertragen. Aber niemand hat mich darauf vorbereitet, daß ich lernen könnte, den Mann zu lieben, den man mir zum Gemahl bestimmt hatte. Meinen Schmerz zu erdulden ist eine Sache. Ihm Schmerz zu bereiten ist eine andere.« Ihre Stimme brach, und ich fürchtete, sie würde wieder anfangen zu weinen, doch als sie mich anschaute, lächelte sie. Die Tränen an ihren Wimpern glänzten silbern. »Manchmal glaube ich, nur du und ich sehen den Mann hinter der Krone. Ich will, daß er lacht und glücklich ist und daß er vergißt, seine Tintenfässer zuzuschrauben und seine Landkarten überall herumliegen läßt. Ich will, daß er seine

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