Die Legende von Shannara 01 - Brooks, T: Legende von Shannara 01
einen scharfen, tadelnden Unterton. Er ließ jedoch Skeal Eile nicht aus den Augen. Dieser registrierte, dass das Zögern des Jungen keine Unsicherheit war, sondern das Verlangen, den Moment voll auszukosten.
»Der Gedanke sagt mir ganz ausgezeichnet zu!«, antwortete er schließlich. »Was, wünscht Ihr, soll ich tun?«
»Mit mir auf eine Reise gehen, und zwar auf deine Weise, so, wie du es am liebsten magst.«
Bonnasaint lächelte. »Erzählt mir mehr, Eminenz.«
Der geistige Führer der Sekte beugte sich vor.
KAPITEL 22
Phryne Amarantyne war bei ihrem Vater so sehr in Ungnade gefallen, dass es ihr sogar untersagt worden war, die Stadt zu verlassen, ganz gleich aus welchem Grund. Außerdem war sie dazu verdonnert worden, Isoeld bei der Pflege der Kranken und Verletzten zu helfen. Phryne hatte versucht, mit ihrem Vater zu diskutieren, aber er unterbrach jeden ihrer Erklärungsversuche und war nicht bereit, von seiner Überzeugung abzuweichen, dass sie nicht nur ungehorsam gewesen war, sondern ihn auch noch belogen hatte. Sie hielt seine Schlussfolgerungen zwar für unfair und falsch, aber er ließ sich nicht erweichen. Ihre Strafe stand fest. Sie durfte die Stadt so lange nicht verlassen, wie er es für richtig hielt. Als sie sich erkundigte, wie lange das sein könnte, antwortete er nur, dass er es sie schon wissen lassen würde.
Danach schaukelte sich der Streit schnell hoch. Sie war mit ihrer Geduld am Ende und wirklich wütend, doch jetzt verlor Phryne vollkommen die Beherrschung. Sie nannte ihren Vater stur und stumpfsinnig. Sie nannte ihn auch noch einiges andere. In der Hitze des Gefechts kamen noch erheblich schlimmere Worte aus ihrem Mund, und die Lautstärke steigerte sich derart, dass die Lakaien besorgt herbeirannten. Sie trafen gerade noch rechtzeitig ein, um mit anzusehen, wie ihr Vater eine Vase zerbrach, die Phrynes Mutter ihm geschenkt hatte. Er wischte sie von ihrem Platz auf dem Schreibtisch zur Seite, als er mit einer wilden Geste das Ausmaß seines Zorns unterstrich.
Danach war der Ofen aus. Phryne wurde auf ihr Zimmer geschickt und angewiesen, dort zu bleiben, bis sie sich wieder anständig benehmen könnte. Sie entgegnete, er könnte ja in seinem Studierzimmer bleiben und dasselbe tun. Sie stürmte hinaus und schleuderte ihm als Antwort auf seine Beschimpfungen noch ein paar deftige Verwünschungen an den Kopf. Bis sich der Tag seinem Ende neigte, hatten die Gerüchte über ihre Konfrontation bereits epische Ausmaße angenommen und wurden mit fantasievollen Ausschmückungen in der ganzen Stadt herumerzählt.
Am nächsten Morgen redeten Phryne und ihr Vater wieder miteinander, wenn auch nicht besonders herzlich und ohne sich dabei viel in die Augen zu schauen.
Phryne war nicht unglücklich darüber, dass sie mit den Heilern Arborlons arbeiten konnte. Sie hatte sich in den vergangenen Jahren bereits aus freien Stücken bei ihnen engagiert. Außerdem gefiel es ihr, gemeinsam mit ihrer Stiefmutter zu arbeiten, weil sie hoffte, es böte sich hier eine neue Gelegenheit, ihre Beziehung zu verbessern. Sie war zu dem Schluss gekommen, dass sie sich, was Isoelds Untreue anbetraf, geirrt hatte, und wollte das wiedergutmachen. Hier nun bot sich die perfekte Gelegenheit, eine Chance, mehr als nur ein paar Minuten am Stück mit ihr zu verbringen. Seite an Seite konnten sie sich gemeinsam darum kümmern, denjenigen ihr Los zu erleichtern und etwas Gutes zu tun, mit denen es das Schicksal nicht so gut gemeint hatte. Auf diese Weise konnten sie einander besser kennen lernen und vielleicht eine gemeinsame Grundlage entwickeln, die über Isoelds Ehe mit ihrem Vater hinausging.
Aber sie merkte sofort, dass ihre Stiefmutter über ihre Anwesenheit nicht gerade erfreut war. Sie zeigte es nicht offen in ihrem Verhalten oder mit ihren Kommentaren… ganz im Gegenteil, sie schien alles zu tun, damit sich Phryne willkommen fühlte. Es lag vor allem an ihrem fehlenden Enthusiasmus und häufigen Phasen von Zerstreutheit. Phryne führte das darauf zurück, dass sie sich auf die Pflege konzentrieren mussten, die sie den einzelnen Patienten angedeihen ließen. Aber sie wurde das Gefühl nicht los, dass sich irgendetwas in Isoeld aufstaute, weil sie die Zeit mit Phryne verbringen musste. Hinter all den freundlichen Worten und dem Lächeln schien ihr irgendetwas an ihrer Stieftochter sehr zu missfallen.
Phryne wusste nicht, was das sein mochte, aber sie beschloss, noch vor Ablauf der Woche mit ihr darüber zu
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