Die Legende von Skriek 1 - Das Attentat
miteinander verbunden sind. Lediglich äußerst schmale Rillen befinden sich zwischen den einzelnen Kanten der dicken Quader. Das sind die einzigen Stellen im ansonsten glatten Stein, wo ich meine Krallen ansetzen kann. Ich blicke nach oben und starre angestrengt in die nur spärlich erleuchtete Dunkelheit, aber es ist mir nicht möglich, das Ende des Turmes zu sehen. Flüsternd schicke ich ein kurzes Gebet zu Thurantuh, und drücke meine Krallen in die dünnen Rillen. Sie finden festen Halt. Meine Muskeln spannen sich an und ich klettere los. Griff um Griff. Zug um Zug. Anfangs komme ich besser voran, als ich erwartet habe. Die schmalen Rillen geben meinen Krallen soviel Halt, dass ich mich Stück für Stück nach oben ziehen kann. Mit meinen Beinen drücke ich mich vorwärts und schon bald habe ich gut fünfzig Meter geschafft. Durch die Monotonie der Bewegungen und der zunehmenden Anstrengung, die meine Muskeln und Sehnen fordert, wird es in meinem Kopf ganz still. Ich bin hoch konzentriert, da ich mir keinen Fehler leisten kann. Ein Sturz würde für mich unweigerlich tödlich enden. Weitere dreißig Meter geht es aufwärts. Langsam beginne ich schwerer zu atmen, aber meine Kraft lässt noch nicht nach. Die lange, beschwerliche Reise mit meinen Gefährten hat meine Ausdauer vergrößert und meine Muskeln in Form gehalten.
Langsam kommt etwas Wind auf, aber er ist noch nicht störend, sondern sogar recht angenehm, da er mein Gesicht kühlt. Und weiter geht es. Einmal blicke ich nach unten und stelle fest, dass ich bereits mehr als ein Drittel geschafft habe. Ich schwitze und atme schnaufend, aber noch geht es. Meine Züge sind noch unverändert sicher. Stück um Stück ziehe ich mich nach oben. Meine Krallen finden stets ausreichend Halt.
Irgendwann werde ich müde. Mein Atem kommt nur mehr keuchend und stoßweise. Mein Tempo lässt deutlich nach und ich beginne mir Sorgen zu machen. Der Wind nimmt zu und rüttelt an meinem Kapuzenmantel. Die Äxte auf meinem Rücken werden mir schwer und meine Muskeln brennen. Für einen kurzen Moment halte ich inne und kralle mich einfach nur in der Wand fest. Mein Herz pocht viel zu stark gegen meinen Brustkorb und in meiner linken Wade brennen die ersten Schmerzen. Eine Sehne ist deutlich überanstrengt. Thurantuh, flehe ich, gib mir Kraft.
Kämpfe! , knurrt mein Gott. Du bist ein Krieger!
Ja, das bin ich. Ein Krieger. Mit neuer Entschlossenheit klettere ich weiter. Nun fangen auch meine Arme zu brenne an. Mit jedem Meter nehmen die Schmerzen zu. Ich möchte vor Ingrimm fluchen, aber dafür fehlt mir mittlerweile der Atem. Schweiß rinnt in meine Augen und ich blinzle ihn weg. Mein Blick geht nach oben und ich spüre, wie mich eine neue Zuversicht durchströmt. Ich kann das obere Ende der Brüstung deutlich sehen. Es sind vielleicht noch fünfzig Meter. Das ist zu schaffen. Ich knurre erleichtert und stemme mich weiter nach oben. Nach wenigen Zügen nehmen die Schmerzen in den Beinen und Armen wieder zu, aber ich gebe nicht nach. Unerbittlich ziehe ich mich höher und höher. Mein Herz pocht zum Zerreißen und mein Atmen ist nur mehr ein unkontrolliertes Keuchen, aber das alles kann mich nicht mehr aufhalten. Ich weiß, dass ich den Turm bezwingen kann und nur das allein zählt im Augenblick für mich.
Und dann ist es endlich soweit. Ächzend und aus jeder Pore meines schuppigen Körpers schwitzend ziehe ich mich über die Brüstung des Turmes. Auf der anderen Seite lasse ich mich einfach zu Boden sinken und versuche, wieder zu Atem zu kommen. Es dauert eine ganze Weile, bis ich wieder so einigermaßen bei Kräften bin. Mit noch etwas wackeligen Knien stehe ich auf und blicke über die hüfthohe Brüstung. Unter mir sind zahlreiche Lichter. Ich habe es tatsächlich geschafft. Ich bin auf dem Turm von Yestshire. Ich jubiliere innerlich und danke meinem Gott.
Schließlich wende ich mich von der Brüstung ab und sehe mich um. Entlang der kompletten Innenseite des Turmes verläuft ein hölzerner Wehrgang, In wenigen Metern Entfernung entdecke ich eine Falltür. Ich gehe rasch zu ihr und klappe sie hoch. Eine Leiter führt zu einem weiteren Wehrgang, der unmittelbar einen Stock unter der Brüstung liegt. Der gesamte Turm scheint entlang seiner Innenwände mit zahlreichen übereinander verlaufenden Wehrgängen versehen zu sein.
Während ich die Leiter hinabsteige, lausche ich. Es ist sehr still. Kaum ein Geräusch ist auszumachen. Ein, zwei Mal höre ich eine Maus
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