Die Legende von Skriek 1 - Das Attentat
zu und durchtrennte seine Halsschlagader. Trollblut floss. Der andere Troll zog hastig seinen Speer aus dem Körper des verwundeten Zwergs und drehte sich zu mir. Ich schlug erneut zu, doch der Troll konnte meinen Angriff parieren. Für einen kurzen Moment standen wir uns Auge in Auge gegenüber. Da hörte ich ein schmatzendes Geräusch. Die Axt des Zwerges grub sich tief in den Rücken des Trolls, der eine Woge dunklen Blutes ausspuckte, bevor er zu Boden fiel und starb.
»Danke«, ächzte der Zwerg in meine Richtung und sank in den blutgefärbten Schnee.
Ich hob mein Florett und trat unschlüssig zu dem Zwerg. Sollte ich ihn töten? Seine Knochen würden eine gute Flöte abgeben und schöne, erdige Töne hervorbringen. Da hörte ich meine Mutter rufen. Ihr mahamsanazu hatte sie ebenfalls hierher geführt. Sie befahl mir, den Zwerg in den Planwagen zu heben, wo sie ihn notdürftig verarztete. Anschließend brachten wir ihn mit seinem Wagen zu unserer Höhle. Anfangs war mir das gar nicht recht. Ich wollte nicht, dass irgendjemand außer meiner Mutter und mir von unserem Versteck wusste. Doch dann sah ich, wie viel es meiner Mutter bedeutete, den Zwerg zu pflegen. Irgendwie schien es mir fast so, als würde der Schmerz des Zwergs das Leid meiner Mutter lindern. Und so ließ ich sie gewähren. Der Trollspeer hatte die Lunge des Zwergs, er hieß Perty, durchstoßen und schwer verletzt. Er spuckte Blut und meine Mutter hatte alle Hände voll zu tun, um ausreichend Heiltees zu brauen und Salben anzurühren.
Nach ein paar Tagen gewöhnte ich mich an Perty und erlebte ihn beinahe als angenehme Abwechslung. Für einen Zwerg war er recht gesprächig und so erzählte er mir, dass er früher seinem König Sinnly über zwanzig Jahre als Gardesoldat gedient hatte. Schließlich war seine Dienstzeit vorüber und er hatte einen Batzen Gold als Belohnung erhalten. Mit diesem Gold hatte er sich dann den Planwagen und die beiden Ponys gekauft und sich als fahrender Händler verdingt. Jahrelang war alles gut gegangen, bis plötzlich die beiden Trolle aufgetaucht waren und ihn überfallen hatten. Mich interessierte der Inhalt seines Planwagens. Vor allem das Fackelöl, die Stoffe und die Bierfässer konnte ich gut gebrauchen. Ohne zu fragen bediente ich mich und da Perty nichts dagegen sagte, nahm ich an, dass der Inhalt des Wagens als Dankeschön für seine Rettung uns gehörte. Aber mehr als jede Wagenladung interessierten mich seine beiden Äxte. Ich war immer noch verblüfft, mit welcher Wucht das riesige Schneideblatt in den Rücken des Trolls gefahren war. Die Äxte mit den überdimensional großen Schneideblättern schienen die richtigen Waffen für mich zu sein, auch wenn ihre Schäfte viel zu kurz für mich waren, da sie für Zwerge gebaut worden waren. Ich hockte mich an Pertys Krankenlager und forderte von ihm, dass er mir zeigen sollte, wie man Axtschäfte baute, die für meine Körpergröße geeignet waren. Anfangs zeigte sich der Zwerg erbost über mein Ansinnen und weigerte sich strikt, mir zu helfen. Aber nach zwei Tagen und angesichts seiner hilflosen Situation fügte er sich schließlich doch. Und so erschuf ich unter Pertys Anleitung zwei lange Schäfte, an die ich die Axtblätter befestigte. Mit der Zeit fand Perty Gefallen an dem, was ich tat. Er riet mir, da ich stärker als jeder Zwerg war, die Schäfte noch mit Eisenbändern zu umwickeln, um durch das zusätzliche Gewicht für mehr Ausgewogenheit zu sorgen. So stimmten schließlich die Dimensionen zwischen Schaft und Blatt für meine Größe und Kraft überein. In die Griffe der Äxte brannte ich Thorantons Zeichen. Dann begann ich unter Pertys Anleitungen mit den Äxten zu üben. Ich konnte gar nicht genug davon bekommen und der alte zwergische Gardesoldat erzählte mir von jedem Trick und Kniff, den er in seinem langen Soldatenleben kennengelernt hatte.
Es wurde kälter und kälter. Dichter Schnee fiel und Pertys Husten wurde schlimmer. Meine Mutter braute neue Tees, sang zu Bahluna und spielte die Trollknochenflöte, aber es half alles nichts. Eines Morgens erwachte Perty nicht mehr. Er war im Schlaf verstorben. Wir begruben ihn im nahen Wald, seine Ponys ließen wir frei, aus dem Planwagen machten wir Feuerholz, seinen Inhalt verstauten wir in unserer Höhle. Und endlich wurde es Frühling.
Meine Mutter träumte und als sie erwachte, sagte sie mir, dass es für sie jetzt an der Zeit sei, zu ihren Schwestern zurückzukehren.
Ich nickte zustimmend.
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