Die Legenden der Albae: Die Vergessenen Schriften (German Edition)
Albherz gerade vor Sehnsucht weint und welches vor Eifersucht brennt. Beides führt in die Endlichkeit.« Sie nahm sich den letzten Schleuderstein und bearbeitete ihn mit dem Werkzeug. Ihre Schläge wirkten fester, die Spänchen flogen weiter als zuvor. »Ich hoffe, unsere Küche überbietet sich mit dem Essen. Ich werde nach der Schufterei hungrig sein.«
Haïmoná lachte und stapfte durch den Schnee zurück zum Gebäude, in dem ihre Einheit lebte, die sich der Schrei des Westwindes nannte.
Außer den Goldstählernen gab es noch die Anwärterpaare, die darauf warteten, in die Eliteeinheit aufgenommen zu werden.
Doch die Nachrücker benötigten Geduld, da Ausfälle kaum vorkamen und Verletzungen dank der Heiler schnell genasen. Die Anwärter wurden ebenso hart ausgebildet und unterwiesen, mussten die gleichen Anforderungen erfüllen. Ausgetauscht wurde fast immer ein Paar, kaum ein einzelner Alb oder eine einzelne Albin. Es kam selten vor, dass nur einer gehen musste.
Amitàrai sprach weise Worte. Man sollte Benàmoi Ewìlor bitten, den Austausch vor dem Einsatz vorzunehmen, ehe die Unruhe zu groß und gefährlich wird. Haïmoná ging den kaum erkennbaren Weg entlang, ihr Atem quoll als weißes Wölkchen aus Mund und Nase. Samusin scheint seine Späße mit uns zu treiben.
Der Austausch gegen Anwärter wäre schmerzlich. Inóro und Gàthoras bildeten das beste Kampfpaar, das in den letzten zwei Teilen der Unendlichkeit über die Schlachtfelder gezogen war.
Inóros Dolche und Wurfsteine verfehlten selbst auf größte Entfernung niemals das kleinste Ziel, und Gàthoras tötete jede Art von Gegner, von Barbar bis haushoher Bestie, mit solch unglaublicher Geschwindigkeit, dass man seine Bewegungen höchstens nachvollziehen könnte, wenn man die Zeit verlangsamte.
Haïmoná war voller Bewunderung für die beiden Albae. Aber wenn ihre Liebe sich verlor und erlosch, wie können sie länger in unseren Reihen kämpfen? Sie spielte mit dem Gedanken, eine Prüfung der Goldstählernen zu verlangen, um einen Beweis für ihre tiefen Gefühle zu erhalten. Doch nur aufgrund eines Gerüchts? Sie fluchte leise.
Währenddessen hatte sie die Pforte des burgähnlichen schlichten Gebäudes aus Schwarzholz, Basaltquadern und Silbermörtel erreicht und durchschritt das Tor zum großen sternförmigen Innenhof.
Von dort erklang deutlich vernehmbares Krachen und Rumpeln.
Als Haïmoná aus dem Schatten trat, sah sie die Anwärter den Kampf mit verschiedenen Schildsorten üben: rund, vier- und dreieckig, oval und halb ausgesparte Formen, die einen besseren Blick auf die kommenden Gegner erlaubten.
Die Anwärter trugen trotz der Kälte lediglich eine lange, schwarze Hose und Stiefel, die Veteranen kamen ohne Hemd aus, die Veteraninnen hatten schmale Brusttücher angelegt. Auf der Galerie an der Nordseite stand der gerüstete Ewìlor und überwachte die Bewegungen und die Techniken. Um seine Schultern lag der gold-schwarze Umhang der Einheit.
Sucht er schon die Nachfolger aus? Haïmoná blieb stehen und beobachtete abwechselnd den Benàmoi und die Gruppe.
Ein Schild taugte nicht nur als Fang von Schwerthieben und Geschossen, er eignete sich bestens als Angriffswaffe. Sogar abgerundete Kanten brachen Knochen im Gesicht oder in den Armen, die Ecken durchbohrten den Stiefel samt Fuß darin; über eine Federvorrichtung ließen sich Klingen oder Dorne ausklappen, die beim Rammen in den Körper des Feindes eindrangen.
Haïmoná kannte Goldstählerne, die ihre Schilde kurz vor dem Kampf mit Gift bestreuten, andere versahen sie an bestimmten Stellen mit einer dünnen Schicht Petroleumpaste, die sie mit einem Funken entzündeten. Es sorgte zum einen für Feuer, das dem Angreifer entgegenschlug, zum anderen gab der dunkle Rauch zusätzliche Deckung. Selbst wenn die Flammen längst erloschen waren, vermochte die erhitzte Oberfläche auf blanker Haut große Brandwunden zu erzeugen. Beim gemeinsamen Üben jedoch verzichtete man auf den Einsatz solcher Besonderheiten.
Haïmoná verfolgte, wie sie an ihrer Geschwindigkeit feilten, einmal im Kampf gegeneinander, dann auch an Puppen. Zu einem späteren Zeitpunkt der Ausbildung, wenn die Kenntnisse sich gefestigt hatten, wurden Sklaven in den Hof gebracht, die man um ihr Leben kämpfen ließ. Natürlich war noch keinem das Wunder gelungen, gegen einen Alb oder eine Albin zu bestehen.
Haïmoná betrachtete Ewìlor. Was geht in dir vor?
Als hätte der Befehlshaber ihre Gedanken vernommen, hob er den
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