Die Legenden der Albae: Dunkle Pfade (German Edition)
und ihre Familie umbrachten, sondern ein Unbekannter, den sie jetzt in Dsôn suchen lassen. Deine Mutter war sehr … hartnäckig.«
Der junge Alb erbleichte. »Hartnäckig?«
Die Kunde gelangte noch nicht bis zu ihnen. »Sie stellte Nachforschungen an und war auch bei mir. Sie verhörte einen nach dem anderen, und … nun ja. Dann war sie tot.«
Ruckartig beugte er sich über sie. »Tot? Ein Unfall?«
Acòrhia schüttelte den Kopf, so gut es ging. »Ein gedungener Mörder, nimmt man an. Er muss sie durch halb Dsôn gejagt haben und hinterließ eine Todesspur, bis er deine Mutter auf einem Dachboden stellte und erstach. Der Versuch, die Spuren zu verwischen, scheiterte. Aïsolon führte die Untersuchungen, die sie begonnen hatte, fort. Und … schließlich brach Wènelon bei dem Verhör ein. Er berichtete vom Unbekannten, der mir das Geld für alle gab und sie bedrohte.«
Tirîgons Miene war erstarrt. »Tot«, wiederholte er leise.
Acòrhia bedauerte es, ihm diese Nachricht überbringen zu müssen. Ich hätte mir auch schönere Neuigkeiten für dich gewünscht. »Dein Vater gab uns allen ein langsam wirkendes Gift sowie ein wenig Antidoton, um sicherzustellen, dass wir uns beeilen und gemeinsam mit euch zurückkehren«, fuhr sie mit ihrer Erzählung fort. »Ich bin die Einzige, die es zu euch schaffte. Iòsunta wurde von diesem Karderier getötet.« Sie hob die rechte Hand und streichelte sein Antlitz. »Es tut mir leid, was mit deiner Mutter geschah.«
Tirîgon richtete sich umständlich und unsicher auf, als wäre er ein alter Alb. »Fand man ihren Mörder?«, sprach er so leise, dass sie ihn kaum verstand.
»Nein. Jedenfalls nicht bis zum Zeitpunkt unserer Verbannung.«
»Wie lange ist das her?«
»In Phondrasôn vergehen die Momente der Unendlichkeit anders als in …«
»Wie lange, Acòrhia?«, schrie er sie abrupt an und packte sie an den Schultern, rüttelte daran. »Erinnere dich! Zwei, vier oder …«
Die Schmerzen jagten durch sie hindurch, ihr Kopf drohte anzuschwellen und zu detonieren. »Bald nach eurer Verbannung«, haspelte sie. »Ich warnte deinen Vater und deine Mutter, dass sie nichts unternehmen sollten.«
»Bei den Infamen!« Tirîgon öffnete die Finger und sank in den Stuhl. »Was habe ich getan?« Abwesend sah er durch die Albin hindurch. »Mein Plan …«
»Dein Plan war gut. Viele freuten sich über den Tod Sémainas«, versuchte Acòrhia, ihn aufzumuntern. »Es konnte niemand ahnen, dass deine Mutter sich nicht von den Beweisen und Zeugen blenden ließ.«
Sein Blick flackerte, die Augen zuckten hin und her. »Ich wollte nichts weiter, als mehr aus meinem Dasein machen. Mit meinen Geschwistern. Wir wären in Phondrasôn unumschränkte Herrscher geworden, und es lief anfangs gut«, redete er stumpf vor sich hin. »Eine Festung, ein Heer, Eroberungen, doch dann … die Karderier, der Zhadar … und nun«, er drehte den Kopf und richtete die Augen auf Acòrhia, »bringst du mir diese grausame Nachricht vom Tod meiner Mutter.«
»Ich kann nichts dafür.« Sie sah ihn bedauernd an.
»Mit welcher Vermessenheit ich vorging!«, stieß er verzweifelt aus. »Mit welchem Recht durfte ich meine Geschwister durch einen eingefädelten Mord und falsche Zeugen dazu zwingen, mich nach Phondrasôn zu begleiten? Ich hätte allein gehen sollen. In aller Heimlichkeit. Dann«, er weinte schwarze Tränen, »wäre mein Schuld nicht derart groß und unverzeihlich.«
»Es war nicht deine Schuld, dass deine Mutter …«
»Doch. Doch, das war es! Ich kannte sie und hätte wissen müssen, dass sie nicht lockerlässt. Die Absicherung, die ich gegen verräterische Zeugen hinterließ, schlug zu und richtete sich gegen diejenigen, die ich liebe.« Tirîgon wischte sich die dunklen Tränen weg. »Ich muss sofort zurück nach Dsôn.«
»Das käme mir entgegen. Meine Vorräte an Gegenmittel neigen sich dem Ende zu. Außerdem ist Phondrasôn ein fürchterlicher Ort. Wie kamst du auf den Gedanken, mit deinen Geschwistern in diesen Höhlen ein Reich aufbauen zu wollen?«
»Was soll ich in Dsôn erreichen? In einem Reich, das wartet und wartet und wartet, bis etwas geschieht? Ich wollte ein Herrscher werden und die Macht mit meinen Geschwistern teilen.« Tirîgon erhob sich. »Es war ein Fehler. Der ganze Plan war ein schlimmer Fehler. Ich muss gutmachen, was gutzumachen ist.« Er wandte sich zur Tür.
»Denkst du, dein Vater lebt noch?«, rutschte es Acòrhia heraus.
Tirîgon verharrte. »Sollte er
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