Die Legenden der Albae: Dunkle Pfade (German Edition)
Verband, durch den sich eitriges Sekret drückte. »Ich preise Inàste, dass ich dich fand.« Er wollte vorwärts gehen, aber die Speerklingen hoben sich nicht.
»Gib acht, Firûsha!«, warnte einer der Gardisten. »Denk daran, dass die Karderier sich zu wandeln vermögen. Wir brachten sie her, weil er schwor, er könnte beweisen, dass er der echte Gàlaidon ist, sofern er mit einem der Drillinge sprechen könne. Er nannte viele Einzelheiten, die man nicht erfährt, wenn man lediglich die Gestalt eines Albs annimmt. Du und deine Brüder kennen ihn am besten. Du wirst es einschätzen können.«
Das haben wir gleich. Firûsha sah Gàlaidon an. »Als mein Vater seine Feier zu seinem Goldenen Teil der Unendlichkeit beging, wo war er da?«
»In einem Käfig. In der Festung«, sagte er grinsend.
»Und warum?«
»Weil er probieren wollte, wie ausbruchssicher er ist.«
»Und der Käfig diente welchem Zweck?«
Gàlaidon lachte. »Um einen Óarco zu fangen. Wir wollten an ihm die neuen Pfeilspitzen ausprobieren und die Wundkanäle untersuchen, welche die Eisen schnitten.«
Firûsha war fast überzeugt. »Wie nannte er mich?«
»Abgesehen von Tochter und Zauberkehle ?«
»Es gab einen ganz besonderen Begriff.«
Gàlaidon lächelte noch breiter. »Mein Nachtstern mit den blauen Augen.«
Er ist es! Die vertrauten und vermissten Koseworte merzten die schlechten Gefühle ihm gegenüber aus und beschworen wundervolle Erinnerungen an die Heimat herauf. Firûsha erlaubte es sich, die Freude über sein Wiedersehen überwiegen zu lassen. Sie gab den Gardisten ein Zeichen, damit sie den Alb passieren ließen, und schloss ihn in die Arme. »Es tut gut, dich zu sehen. Was du damals tatest, sei dir verziehen. Unsere Verurteilung war ein Fehler, ein Komplott, dem unser Vater aufsaß. Du konntest nicht anders, als uns damals zu verbannen«, sprach sie laut aus, um den letzten Schatten zu vertreiben. »Ich hörte so schreckliche Dinge über Dsôn.« Sie fasste zusammen, was sie von Naïgonor wusste. Gàlaidon bestätigte die furchtbaren Ereignisse. Sie fürchtete sich vor der Frage, die aus ihr heraus musste: »Wo ist mein Vater?«
»Ich sah ihn das letzte Mal in Dsôn, in der Wachstube. Danach brach der Hang ab und rutschte zu Tal. Die Festung wurde zu großen Teilen davon begraben. Ich denke«, berichtete er, »er entging dem Tod. Wir sollten sein Ableben nicht sicher annehmen, bis wir vor seinem Leichnam stehen.« Er fuhr ihr tröstend über den schwarzen Schopf.
»Meine Mutter?«
»Ich weiß es nicht.« Gàlaidon zeigte auf den Unbekannten, der immer noch umringt von den geschliffenen Speeren stand. Er trug eine ähnliche Rüstung wie der Erste Sytràp, dazu hatte er noch einen großen Rucksack auf dem Rücken. Seine langen, dunkelbraunen Haare waren ungepflegt. »Das ist ein Alb, den ich unterwegs traf. Er befreite mich von lästigen Barbaren, die breit und groß wie Bäume waren und sich Tierfelle umhängten. Ihre Waffen glichen Sensen.«
Firûsha musterte den Neuling, der sich mit Mühe aufrecht hielt. Ist das Tinte an seiner linken Hand? »Er sieht nicht unbedingt nach einem besseren Krieger als du aus.« Sie zog ihn zu sich, damit sein Ohr auf Höhe ihrer Lippen war. »Du weißt, dass die Karderier die Kunst beherrschen, die Gestalt eines von ihnen Getöteten anzunehmen?«
»Die Gardisten deuteten es an.«
»Wie können wir sicher sein, dass er kein Späher ist, um uns auszukundschaften? Es gab erst vor Kurzem einen Zwischenfall mit einem ihrer Art.« Firûsha wollte nichts einfallen, wie sie den Fremden prüfen konnte, um vollkommene Sicherheit zu erlangen. »Wir werden ihn einsperren lassen, bis meine Brüder und ich zurück sind.« Sie sah auf Gàlaidons verbundene Hand. »Ist die Wunde entzündet?«
»Sie heilt, ist aber noch empfindlich. Für einen Alb, der bevorzugt mit der rechten Hand kämpft, nicht erfreulich.«
»Wir haben gute Heiler. Sie werden sich um dich kümmern.« Firûsha wandte sich an die Gardisten. »Bringt den Alb in die …«
»Mein Name ist Carmondai«, unterbrach der Unbekannte sie. »Du wirst vielleicht von mir gehört haben.«
»Du?« Firûsha konnte es nicht glauben. Wie ist er hierhergelangt? Er lebte nicht in Dsôn. Jeder Alb kannte den Namen des bekannten Meisters in Wort und Bild, der den ersten Feldzug von Sinthoras und Caphalor gegen Tark Draan begleitet hatte. Sie mochte seine Geschichten über Kämpfe und Helden. Nun stecke ich selbst in einer. »Das kann ich kaum
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