Die Legenden der Albae: Dunkle Pfade (German Edition)
müssen gar nicht zu dem Wesen hinauf. Es wird zu uns kommen.«
»Entscheidet euch!« Marandëi hielt den Blick nach vorne gerichtet, auf die Doppelhöhle. »Und tut es rasch.«
Sisaroth atmete aus und gab der Cîanai das Signal, dass sie die schwebenden Stufen vernichten sollte.
Er wird erkennen, was ich meine. Tirîgon erhob sich und blickte über ihre Deckung, sein Bruder stellte sich neben ihn.
Erneut trat Marandëi in Aktion. Sie vollführte schwungvolle Gesten und führte den Stab wie eine Keule; ein dumpfes Knallen erklang. Aus dem oberen Teil ihres Stockes löste sich eine Druckwelle, die Steine davonschleuderte.
Die unsichtbare Wand fegte auf die Treppe zu. Gleichzeitig wollten neue Wachen aus der Öffnung treten und sich den Angreifern entgegenstemmen.
Marandëis Zauber kollidierte mit den Stufen – und entlud sich als ein opalisierender Blitz, der die Albae blendete.
Kann das alles gewesen sein? Als Tirîgons Sehkraft zurückkehrte, fehlte der überwiegende Teil des Aufgangs. Enorme Lücken klafften in der Treppe, auf einer Länge von vielen Schritt fehlten die Steine und machten es unmöglich, hinauf- oder hinabzuschreiten. Die feindlichen Krieger verharrten überrascht und schienen sich zu beraten.
Sisaroth drehte sich zu Tirîgon. »Was hast du dir davon erhofft?«
»Sieh nach vorn«, gab er zurück. »Und preise meinen Verstand, Bruder.«
Die schwebende Doppelhöhle senkte sich mit deutlich vernehmbarem Knirschen und Reiben, als würde sie unter ihrer Last Steine zermahlen; dabei neigte sie sich zur Seite und drehte sich, sodass ihre untere Öffnung die wartenden Wachen verschlang.
Die schwebenden, blutig besudelten Stufen zerplatzten und sprangen unter dem Druck, der sich auf sie herabsenkte. Leichenteile und Trümmer regneten auf den Boden.
Sisaroth konnte die Augen ebenso wenig abwenden wie Tirîgon und Marandëi. »Woher wusstest du, dass das geschehen würde?«
Ich hoffte es. Tirîgon öffnete den Mund zu einer Antwort, da stürzte die Doppelkugel abrupt abwärts, als wären ihre unsichtbaren Trägerschnüre von der Decke durchtrennt worden. Die letzten Reste der Stiege verschwanden unter ihr.
Die kokonartige Hülle traf mit einem Schlag auf, der die gesamte Höhle zum Beben brachte, und zerbrach gleich einem gewaltigen Tongefäß. Rote und schwarze Staubwolken stiegen unmittelbar mit dem Einschlag auf und walzten nach allen Seiten davon, während sich die große Höhle immer noch schüttelte.
Große und kleine Brocken flogen wie Geschosse umher, zerschellten auch am Fels, hinter dem Tirîgon und Sisaroth standen. Splitter schlugen klirrend gegen ihre Helme.
Wieso steht sie immer noch da? Tirîgon zog Marandëi zu sich, hinter ihren Schutz.
Der Boden wankte unter ihren Füßen, das Grollen endete einfach nicht.
Schließlich erreichte die Staubwolke die Albae und hüllte sie ein. Der Wind glich einem Sturm, er pfiff und heulte in ihren Ohren.
Heftiger, als ich es mir ausmalte. Tirîgon hatte die Augen fest geschlossen und setzte sich, um nicht umgerissen zu werden. Wo sein Bruder und die Cîanai waren, konnte er nicht erkennen.
Es donnerte gewaltig.
Ganz Phondrasôn schien durch ihre Tat in Aufruhr geraten zu sein und sich vor Wut zu schütteln. Brocken lösten sich aus der Decke und stürzten dumpf surrend nieder, zerplatzten knallend und sandten neue Splitter durch die Luft.
Als das Wehen und Rumpeln nachließ, hob Tirîgon die Lider und blickte sich um. Suchen wir das Veyn. Es wird irgendwo zwischen den Ruinen von Whifis liegen. »Ich sagte doch, das Wesen kommt zu uns.«
Sisaroth stand bereits und beugte sich über Marandëi, die ausgestreckt neben dem Felsen lag. Die Hälfte ihres Körpers war unter einem Steinbrocken zerquetscht, der sich aus der Decke gelöst hatte. Ihr Stab lag mehrfach gebrochen neben ihr; lediglich das Kistchen mit dem Infamenschädel war unversehrt geblieben.
Das war nicht vorgesehen! Tirîgon sprang auf und stemmte sich zusammen mit seinem Bruder sofort gegen das große Trümmerstück, unter dem Blut heraussickerte und eine rote Bahn durch den allgegenwärtigen Staub zog.
Die weißen Augen der Cîanai waren weit aufgerissen und wiesen dennoch ins Nirgendwo. Sie drehte den Kopf hin und her, als suchten ihre Blicke Halt.
»Meisterin!«, rief Sisaroth aufgewühlt. »Du musst dich retten! Sprich einen Zauber! Bitte!«
Tirîgon gab es auf, den Fels bewegen zu wollen. Er ist zu schwer. Er langte nach den Stücken des Stabs und versuchte, sie
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