Die Legenden der Albae: Dunkle Pfade (German Edition)
Proviant- oder Waffentruhen, bedeckte beinahe jeden Fleck. Dazwischen dümpelten die Leichen von Nachtmahren und Albae. Die meisten von ihnen waren ertrunken. Mit gebrochenen Gliedmaßen und die Antlitze nach unten gerichtet, trieben sie regungslos.
Einmal hatte er sogar geglaubt, Esmonäes Züge auf einer Ertrunkenen zu erkennen, aber es war eine Täuschung. Es bewies ihm, dass ihn die Albin selbst in diesen Momenten nicht freigab.
Fünfzig Tote und dreißig verlorene Nachtmahre. Hinter Tirîgon befand sich eine kleine Sandsteinhöhle, deren Wände nass waren und durch deren Decke es unablässig tropfte und Rinnsale auf die Albae niedergingen. Die Reste der Streitmacht hatten sich dort versammelt und warteten.
Sie befanden sich seiner Schätzung nach unter dem Mondteich in einer Zwischenkaverne. Die ausgesandten Späher hatten einen weiteren Durchlass in einem zweiten Becken gefunden, durch den sie tauchen müssten, um nach Tark Draan und zu den Elben zu gelangen.
Ich verstehe Tungdils Abneigung gegen das Wasser. Tirîgon befand sich bei der Rettungsmannschaft, die nichts anderes tat, als die Auftauchenden sofort ans sichere Land zu holen und sich um sie zu kümmern.
Es war schon zu lange Zeit kein Alb oder Nachtmahr mehr erschienen.
Er richtete den Blick auf den Boden, in dem sich Risse zeigten, durch den der feine Sand rieselte und verschwand. »Lange werden wir nicht mehr warten können«, sagte er zu den Umstehenden. »Er wird bald nachgeben und einstürzen.« Dieses verfluchte Gängelabyrinth bricht unter uns zusammen.
Tirîgon starrte wieder auf die wogende Oberfläche. Seine Sorge und sein schlechtes Gewissen setzten ihm verstärkt zu. Er wusste nicht, was er tun sollte, um seine Schwester zu ihnen zu holen. Notfalls würde er allein nach Phondrasôn zurückkehren, um sie zu retten. Ich habe sie dorthin gebracht, ich muss sie rausholen. Und wenn es …
Es kam stärkere Bewegung im Wasser auf.
»Achtung!«, rief er der Mannschaft zu. »Ich glaube …«
Zuerst sahen sie zwei dunkelrote Punkte glühen, dann schoss ein Nachtmahrkopf aus der Trübnis. Der Hengst stakste dumpf schnaubend das steile Ufer hinauf und zog zwei Albae mit heraus. Firûsha hing seitlich herab und hatte die Finger in die Mähne geschlagen. Sisaroth wurde an einem Steigbügel aus dem Wasser geschleift. Er hatte seine Atemvorrichtung im Gegensatz zu seiner Schwester verloren.
Die Retter sprangen von allen Seiten herbei und halfen ihnen, zogen dem Nachtmahr den fast leeren Ledersack von Maul und Nüstern und beruhigten ihn; gleichzeitig wurde Sisaroth aus dem Steigbügel befreit und die orientierungslose Firûsha in Decken gehüllt.
Tirîgon konnte seine Gefühle nicht beschreiben, die ihn beim Anblick seiner Geschwister überfielen. Er lachte erleichtert und schloss seine Schwester in die Arme, die ihm ein schwaches Lächeln schenkte, dann eilte er zu Sisaroth.
Vergebens wartete er auf ein Husten oder Seufzen.
»Er atmet nicht!«, rief Tirîgon bestürzt und drehte ihn zur Seite, damit das Wasser aus seiner Lunge laufen konnte. »Schnell, zwei Mann zu mir!«
Gemeinsam zogen sie ihm den Harnisch der Rüstung aus, drückten auf dem Magen und dem Brustkorb herum, bis der Cîanoi braune Flüssigkeit erbrach und rasselnd Luft einsog.
Ich habe ihn nicht verloren! Tirîgon tätschelte die Wangen seines Bruders. »Hörst du mich? Du bist bald in Tark Draan. Zusammen mit mir und unserer Schwester.«
Sisaroth setzte sich halb auf, wankte und packte seinen Bruder an den Schultern. Der Griff schmerzte. »Habt ihr die Reste des Schädels gesammelt?«, sagte er undeutlich und musste sich erneut übergeben.
Tirîgon wusste selbstverständlich, wovon er sprach, und sah in den Pfuhl aus Brackwasser, Leichen und Trümmerstückchen. Darin finden wir sie niemals.
»Er ist für immer zerstört«, sagte Firûsha mit bebenden Lippen.
Sisaroths Blick ging durch Tirîgon hindurch, sein Antlitz erschlaffte wie bei einem Toten. »Ich habe es verursacht«, flüsterte er. »Ich habe ihn … mein Dolch traf ihn und … er fiel auf den Infamen. Ich besitze … keine Macht mehr! Die Gaben eines Cîanoi sind vergangen!« Er schloss die Augen und schluchzte wie ein Kind. »Ich habe Shëidogîs ausgelöscht. Dafür werden mich die restlichen Infamen …«
Firûsha kniete sich neben ihn, streichelte das nasse schwarze Haar und summte eine beruhigende Weise.
Tirîgon seufzte grimmig. Freut mich das oder nicht? Der aufwieglerische Krieger hätte ein
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