Die Legenden der Albae: Dunkle Pfade (German Edition)
die Kehle. »Erwache ein letztes Mal«, flüsterte er und ließ Angst gegen ihn schwappen.
Bei der Berührung und der einströmenden Furcht schreckte sein Gegner zusammen und wollte aufspringen. Der stärker werdende Druck der Spitze gegen sein schutzloses Fleisch verhinderte jede weitere Bewegung. Feindselig und hasserfüllt starrte er den Alb an, auch wenn sich das Erstaunen in den Augen nicht verbergen ließ.
»Ich erkenne deine unausgesprochene Frage«, sagte Tirîgon und zog seinen Doppeldolch, hielt ihn locker am langen Arm. »Wir sind durch den Mondteich gekommen und aus den Tiefen Phondrasôns emporgestiegen, um den Tod der Unauslöschlichen zu rächen und euch auszurotten.«
»Das habt ihr«, spie ihm der Elb entgegen. »Die Siedlung bestand aus den Letzten meines Volkes. Die Zwerge hatten bereits viele von uns niedergemetzelt.«
Tirîgon hob die Augenbrauen. Waren die Fallen tatsächlich gegen die Unterirdischen. Er hatte mit seiner Annahme recht behalten. »So? Das bedauere ich.« Er grinste. »Nicht aus Mitleid, sondern weil ich gerne mehr von euch abgeschlachtet hätte als dich einsames Exemplar!«
Die Sonne trat über den Horizont und schickte ihre Strahlen durch die Wipfel. Das Ziehen in Tirîgons Augen kündete von dem Wechsel: Das Weiß war gegangen und hatte sich zu Schwarz gewandelt. Wie habe ich dieses Gefühl vermisst!
Der Elb stieß einen lauten Fluch aus, sein Gesicht wurde vom Hass regelrecht verzerrt. »Sitalia wird dich vernichten! Das Geborgene Land wird über euch herfallen und euch zurück in die Finsternis stoßen und ins Wasser treiben, aus dem ihr gekrochen seid!«
»Ich bin mit den Göttern fertig«, erwiderte er. »Sowohl mit den Infamen als auch mit Samusin oder Tion. Man sollte ein eigener Gott sein und sich von anderen anbeten lassen. Wer sein Schicksal vom Beistand der höheren Wesen abhängig macht, wird beim Warten umkommen. Das lernte ich in der Verbannung.« Tirîgon sah absichtlich lange auf das Schwert am Wehrgehänge des Elbs. »Was ist das für eine Karte?«
Die Augen des Gegners weiteten sich für einen Herzschlag. »Von was sprichst du?«
»Das Pergament, das sich zusammengerollt im Griff befindet. Wenn man den Pommel abschraubt, kann man es herausschütteln. Ich beobachtete dich, als du die Zeichnung darauf studiertest.« Er beobachtete die Züge seines Gefangenen ganz genau, um daraus lesen zu können, wie nah er sich mit seinen Vermutungen an der Wahrheit befand. Lässt er sich locken? »Du suchtest einen Weg zu einer anderen Siedlung von euch.«
Das Erschrecken war zu deutlich. »Nein. Nein, ich wollte zu einem befreundeten Fürsten, um …«
»Du bist ein erbärmlicher Lügner. Es gibt demnach mehr Elben?«
»Nein! Ich sagte dir, dass die Zwerge …«
»Du hast versucht, mich zu hintergehen, wie ihr die Unterirdischen belogen hattet«, fuhr Tirîgon ihn an. Der Elb ist leichter zu lesen als ein Kinderbuch. Er lachte leise. »Ah, das war eure Strategie! Ihr habt Tark Draan glauben gemacht, dass man euch ausrottete, um im Verborgenen Pläne zu schmieden. Du bist ein Bote, der die anderen warnen sollte. Vermutlich haben wir euren eigentlichen Melder bei unserem Angriff getötet, und sie schickten dich«, sponn er und sah deutlich, wie wahr seine Worte waren. »Du kanntest den genauen Weg nicht. Und wenn ich dich dabei nicht beobachtet hätte, wüsste ich nichts von den restlichen Elben.« Er nickte. »Tröste dich damit, dass ich dein Geheimnis gegenüber den Unterirdischen wahre. Wir Albae bringen zu Ende, was sie begannen.«
Der Elb schlug das Schwert mit der bloßen Hand zur Seite und scherte sich nicht um den Schnitt in der Hand. Er rutschte rückwärts, schlug eine Rolle und zog seine eigene Waffe, um Tirîgon anzugreifen.
Dieser wich den unglaublich schnellen Schlägen aus, dann trat er dem Elb an der Stelle gegen den Harnisch, hinter der die Wunde lag. »Ich wollte dich zwischendurch an den stählernen Gruß erinnern, den ich dir hinterhersandte.«
Sofort ächzte der Gegner und krümmte sich leicht, die angesetzte Attacke ging fehl.
Tirîgon klemmte dessen Schwertarm unter der Achsel fest und führte eine Reihe von Kniestößen gegen die Rüstung des Elbs, bis er Blut darunter hervorlaufen sah. »Ah, ich sehe, dass sich die Wunde auch an mich erinnert.« Er wich dem Kopfstoß aus und schlug dem Elb den Dolchknauf gegen die Nase. »Hier hast du noch ein Andenken!« Er gab den Feind frei und zog sich weit genug zurück, um seine überlange
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