Die Legenden der Albae: Dunkle Pfade (German Edition)
erschlagenen Gnom. »Die kleinen Ratten wollten sich daran bereichern.«
»Sehr aufmerksam von dir.« Marandëi besah sich ihre Blessuren. »Ich hatte mehr als Glück. Die Infamen wachten über uns.«
»Ich werde sie fragen, sobald es mir gelingt, eine Bestie lebend zu fangen.« Er ging zu den getöteten Gnomen, wand den Schmuck aus den verkrümmten, dreckigen Fingern und brachte ihn der Albin.
»Du willst sie fragen ?«
»Sicherlich. Ich bin ihr Priester.« Sisaroth sah, dass sie ihn nicht ernst nahm. »Ich gebe zu, dass ich am Anfang meiner Ausbildung stand, bevor ich zu Unrecht verbannt wurde, aber ich kann sehr wohl ein Ritual abhalten.«
Marandëi zog eine anerkennende Miene. »Das kann sich hören lassen. Ich bin gespannt, sofern ich dabei sein darf. Einer meiner engsten Freunde versuchte sich ebenfalls als Priester der Infamen und überlebte eine Inkantation mit Mühe. Die Infamen sind sehr, sehr wählerische Götter.«
Sisaroth überlegte, ob er den Mund nicht zu voll genommen hatte, wollte sich aber keine Blöße geben. »Sie sind anspruchsvoll.« Dabei beließ er es und blickte sich absichtlich auffällig in der Höhle um. »Was unternehmen wir? Wohin gehen wir?«
Marandëi legte ihre Kette an. »Was mich angeht, werde ich mein Versprechen halten«, sagte sie getragen.
»Dein … Ach, richtig!« Im Eifer der letzten Ereignisse hatte er ihren Schwur beinahe vergessen. »Das musst du nicht. Du kannst deines Weges ziehen, während ich mich aufmache und meine Geschwister suche. Ich entbinde dich von jeglicher Schuld mir gegenüber. Du wirst eigene Pläne haben.« Es fiel Sisaroth nicht leicht, diese Nachsicht zu zeigen, doch ihm war danach. Ich werde es hoffentlich nicht bereuen. »Du sollst nicht das Gefängnis gegen einen Eid tauschen, der dich bindet.«
Aber sie blieb stur. »Ich schwor es, und ich denke, dass die Infamen dich sandten, um mir zu zeigen, dass sie selbst in Phondrasôn Macht besitzen und diejenigen bewahren, die sie nicht aufgeben. Daher werde ich dir von nun an fünf Teile der Unendlichkeit zu Diensten sein.«
»Es ist deine Entscheidung.« Innerlich freute sich Sisaroth. Großmut zahlt sich aus. Zwar hatte er noch keine Kostprobe erhalten, was die Magie der Cîanai anbelangte, doch es würde sich eine Gelegenheit ergeben. Scheusale, die sie vernichten kann, hält der Ort genügend vor.
Marandëi wies auf den Ausgang. »Ich kenne mich noch ein wenig aus, sofern sich die Wände nicht verschoben haben. Lass uns für den Anfang dorthin gehen, wo sich einst mein Palast befand. Dort sollte es sicherer sein.«
»Damit wir uns richtig verstehen: Ich möchte nicht verweilen, auch wenn es einen Palast gibt, in dem ich leben könnte.«
»Das ist mir klar. Es wird ein kurzer Aufenthalt.« Sie fuhr sich über das ramponierte Kleid. »Ich musste diesen Fetzen viel zu lange tragen und waschen, und bei aller Liebe für das Kleidungsstück: Irgendwann reicht es. Gewähre mir eine kleine Rast, die knapp genug sein wird, um einen Rucksack zu packen.« Sie schien etwas zwischen dem Schutt entdeckt zu haben. »Ah! Mein guter Stab.« Sie bückte sich und zerrte den schulterhohen, metallbeschlagenen Stock hervor. »Er wurde auch verschont, wie erfreulich!« Marandëi ging los. »Komm.«
Sisaroth folgte ihr. Im Vorbeigehen wählte er aus den verstreuten Gegenständen, die den Óarcos gehört hatten, einen kleinen Schild und ein besser austariertes Schwert sowie drei Dolche, die er sich in seinen Gürtel steckte. Damit lässt sich notfalls kämpfen. »Wer errichtete dir deinen Palast?«
»Oh, ich nahm ihn mir«, erklärte sie ganz selbstverständlich. »Der Besitzer wusste nicht zu schätzen, was er besaß.« Marandëi stieg über die Trümmer hinweg, nutzte ihren Stab als Stütze. »Er hatte das Gebäude, ohne es zu bemerken, auf einer magischen Quelle errichtet. Das ist für mich als Cîanai eine gute Lage.«
»Und warum hast du deinen Palast verlassen und bist im Turm gelandet?«
»Langeweile. Ich erforschte die Umgebung und stieß auf die Höhle mit diesem verfluchten Gebäude.« Sie sah über die Schulter und spie aus.
»Du weißt nach wie vor nicht, wie lange du festgesessen hast?«
»Nein. Ich kann es nur ahnen.« Marandëi seufzte.
Während sie über die Trümmer marschierten, kam Sisaroth der Gedanke an den Grund ihrer Verbannung.
Dass er unschuldig in Phondrasôn saß, hatte er ihr mehrmals erzählt. An ihrem Antlitz hatte er nicht ablesen können, ob sie ihm glaubte. Sie dagegen wich
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