Die Legenden der Blauen Meere, Band 1: Dreckswetter und Morgenröte (German Edition)
Gespräche zwischen Pembroke und den Männern belauschte, die ihn ständig in seinem Büro aufsuchten.
»Er betreibt sie nicht bloß – sie gehört ihm. Weißt du, es war alles seine Idee. Vor Daddy gab es die Silbermine überhaupt nicht. Und er wird sie noch viel größer machen. Genau genommen arbeitet er gerade an etwas, wogegen die alte Silbermine wie eine Imbissbude aussehen wird.«
»Und wie will er das anstellen?«
»Das ist kaufmännisch – das verstehst du nicht«, antwortete sie, mehr als nur ein bisschen hochnäsig. Was mich nervte, denn sie schien es selbst nicht richtig zu verstehen. Genau in dem Moment, als ich ihr das stecken wollte, senkte sie plötzlich die Stimme und sagte: »Er befiehlt auch den Piraten, was sie tun sollen.«
Das war so absurd, dass ich lachen musste. »Kein Mensch sagt den Piraten, was sie tun sollen!«
»Genau das sollen die Leute denken. Aber es stimmt nicht – jedenfalls hat Dad Absprachen mit ihnen. Auf den Blauen Meeren passiert nichts ohne seinen Befehl.«
Sie sah so selbstsicher aus, dass ich nicht den Mut aufbrachte, ihr zu sagen, dass sie nicht ganz richtig tickte.
»Und das übernimmst dann eines Tages du – Piraten herumzukommandieren, dem Gouverneur Befehle zu geben?«
Ich meinte es als Scherz, aber ich musste einräumen, dass ich mir erstaunlich leicht vorstellen konnte, wie Millicent am großen Mahagonischreibtisch im Arbeitszimmer ihres Vaters saß und den Gouverneur zur Schnecke machte.
»Ärger mich nicht, Egg, sonst lasse ich dich irgendwann umbringen. Das könnte ich nämlich auch.«
»Dann könnte ich dich jedenfalls nicht beim Krocket besiegen.« Als ich am Vortag fast ein Spiel gewonnen hätte, war sie so ausgerastet, dass sie einen Schläger zertrümmert und bis zum Abendessen kein Wort mit mir gesprochen hatte.
»Versuch’s doch«, antwortete sie mit einem Lächeln, stand auf und trat mir auf dem Weg zur Tür gegen das Schienbein. »Das wollen wir doch mal sehen.«
Irgendetwas an diesem Gespräch verstörte mich zutiefst. Zuerst hatte ich keine Ahnung, was los war, doch während des Krocketspiels und des Ausritts zur großen Wiese in den Ausläufern des Berges war ich kurz angebunden und gereizt.
Anfangs bemerkte sie es nicht. Doch dann fiel es ihr auf und sie neckte mich deswegen. Als ihr Gehänsel mich noch wütender machte, verlegte sie sich aufs Betteln.
Wir banden die Pferde fest und liefen über die Wiese, als sie eine Sierra-Taschenratte erspähte und ihr hinterherrannte, während sie mir zubrüllte, ich solle ihr helfen, sie zu fangen. Da ich es dumm und sinnlos fand, machte ich jedoch keinerlei Anstalten – sie jagte die Viecher jedes Mal, wenn wir zur Wiese ritten, und obwohl sie nie auch nur in ihre Nähe kam, geschweige denn eine fing, schien sie nicht daran zu zweifeln, dass sie eines Tages eine erwischen würde.
Nach ungefähr fünfzig Metern gab sie auf und schlenderte wieder in meine Richtung. Als ich sie auf mich zukommen sah, die Augen funkelnd und lachend, das goldene Haar in der Sonne schimmernd, spürte ich, wie sich ein Schmerz in meiner Brust breitmachte. Ich konnte das Gefühl zuerst ebenso wenig einordnen wie meine Niedergeschlagenheit.
»Jetzt hör doch mit diesem abscheulichen Geschmolle auf!«, rief sie. »Es passt überhaupt nicht zu dir! Ich will den richtigen Egg zurückhaben! Diesen Sauertopf hier kann ich nicht ausstehen! Überhaupt nicht.«
Sie kam zu mir und nahm meine Hand. »Komm schon – sag mir, was ich tun muss, um dich zurückzuholen.«
Die Antwort sprang so schnell in meinen Kopf, dass sie mir um ein Haar aus dem Mund gerutscht wäre.
Heirate mich.
Dieser Gedanke war aus tausend Gründen verrückt, angefangen bei der Tatsache, dass wir erst dreizehn waren. Aber da war er. Ich konnte ihn nicht ungedacht machen. Und sofort wurde mir auch klar, was der Schmerz in meiner Brust sein musste.
Sie hielt noch immer meine Hand und wartete auf meine Antwort.
»Ich bin nirgendwo hingegangen«, sagte ich schließlich. »Und ich will auch nirgendwohin.«
»Na ja, wer sagt denn, dass du musst?«, erwiderte sie, ihr Lächeln wurde breiter, als sie mich losließ. »Komm. Wir reiten um die Wette den Berg runter.«
Erst spät an diesem Abend, als ich wach unter dem großen Federbett lag, wurde mir klar, warum mich Millicents Erzählung vom Reich ihres Vaters – und von ihren Plänen, es zu erben – in eine so düstere Stimmung versetzt hatte.
Mir war immer bewusst gewesen, dass Roger Pembroke
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