Die Legenden des Raben 01 - Schicksalswege
zwischen die beiden Kontrahenten und schrie dem verwundeten Elf direkt ins Gesicht. Er erschrak über die Unterbrechung, hielt inne und sah Ren erstaunt an. Sie ergriff die Gelegenheit und sprach mit fester, aber ruhiger Stimme. Sie deutete mit dem Daumen zu Mercuun, dann auf Erienne und dann zur Vordertür. Das einzige Wort, das Erienne verstehen konnte, war »Ilkar«, aber was Ren auch sagte, es wirkte sofort.
Der Elf nickte, sprach zwei Worte, und Ren machte ihm Platz. Er ging mit Kild’aar, die ihm einen Arm um die Hüfte gelegt hatte, langsam in Mercuuns Zimmer, zog das Tuch weg und sah Mercuun lange an. Erienne konnte beobachten, wie er die Schultern hängen ließ. Er flüsterte ein kurzes Gebet, kniete sehr unbeholfen nieder, legte die
linke Hand auf Mercuuns Stirn und verneigte sich. Er schwieg eine Weile, verloren in Kontemplation oder Erinnerungen.
Denser gab Erienne einen kleinen Stoß.
»Der sieht aus wie eine gebräunte Version von Ilkar, findest du nicht auch?«, flüsterte er.
»Es gibt eine gewisse Ähnlichkeit«, stimmte Erienne zu.
»Das sollte wohl auch so sein«, sagte Ren, die hinter ihnen stand, leise. »Das ist Rebraal, Ilkars Bruder.«
Als Rebraal seinen Namen hörte, richtete er sich unter Schmerzen langsam wieder auf und kehrte zu Erienne und Denser zurück. Der Zorn war aus seinem Gesicht gewichen, und Erienne war überrascht, sogar Angst in seinem Blick zu erkennen. Er sprach, und Ren übersetzte.
»Er sagt, er muss zum Tempel zurückkehren. Der Tempel muss wieder den Al-Arynaar übergeben werden. Er will morgen früh in der Dämmerung aufbrechen.«
»Sage ihm, wir kommen mit«, sagte Denser.
Der Magier zuckte zusammen, als Rebraal verächtlich schnaubte, nachdem Ren übersetzt hatte. Erienne legte ihm eine Hand auf den Arm, um ihn zu beruhigen.
»Dann will er allein gehen?«, fragte Denser.
Rebraal spie einige Worte aus. Ren hob die Hände, antwortete und bekam eine scharfe Antwort, die nur aus einem einzigen Wort bestand.
»Er will Fremde töten. Warum sollte er noch mehr Fremde dorthin lassen?«
»Er hat meine Frage noch nicht beantwortet«, sagte Denser.
»Seine Brüder, die anderen Al-Arynaar, werden sich ihm in einigen Tagen anschließen. Er hofft, dass es noch früh genug ist«, sagte Ren.
»Und wenn nicht? Die beste Chance, die er überhaupt bekommt, hat er hier, auch wenn er noch so finster dreinschaut. Erkläre ihm das. Wir kommen mit. Wir können ihm helfen, und was es auch ist, das ihm solche Angst eingejagt hat, wird umso schneller ausgeräumt werden.«
Wieder folgte eine kurze Unterhaltung der Elfen.
»Er sagt, der Wald bringt dich um.«
»Ich weiß, dass ich für uns alle spreche, wenn ich dies sage. Wir wollen helfen. Wir müssen so schnell wie möglich Magier nach Balaia holen, und deshalb werden wir alles tun, um dies zu beschleunigen, und wir werden alles tun, um das Vertrauen der Elfen zu gewinnen. Hat er überhaupt eine Wahl? Im Augenblick sind wir alles, was er hat, und bei den brennenden Göttern, einer von uns ist sogar sein Bruder.«
Erienne spürte Densers Leidenschaft. Er war von seiner Sache überzeugt, und sie konnte nur hoffen, dass auch Rebraal das erkannte. Sie sah, wie Ren mit ihm redete, sie beobachtete seine Reaktionen und sah sich über die Schulter zu Denser um. Er zuckte mit den Achseln, sein Gesicht wurde hart, doch er nickte.
»Dann hat er uns jetzt in Gnaden aufgenommen?«, fragte Denser schließlich.
»Nein«, sagte Ren. »Der Rabe ist hier geduldet, das ist alles. Er weiß, dass er jede Hilfe braucht, die er nur bekommen kann. Ilkar ist der Schlüssel. Ohne Ilkar dürftest du ihn nicht begleiten.«
»Was ist denn eigentlich passiert, dass er es nun doch mit uns versuchen will?«, fragte Erienne beklommen.
»Rebraal weiß, was die Krankheit verursacht. Er hat die Texte im Tempel studiert. Er hat sein Leben der Erhaltung der Harmonie gewidmet.«
»Und?«, drängte Denser.
»Rebraal sagt, die Harmonie sei gestört worden. Die Fremden, die den Tempel eingenommen haben, hätten es getan, doch er weiß nicht wie. Deshalb müssen wir dorthin. Du kannst die Krankheit nicht mit Magie oder Kräutern heilen, und solange die Harmonie nicht wiederhergestellt ist, werden die Elfen sterben.«
Erienne runzelte die Stirn. »Welche Elfen?«
»Wir alle.«
Aeb war unruhig. Protektoren waren daran gewöhnt, allein zu sein und mit ihrem Gebieter, einem xeteskianischen Magier, zu reisen. Doch in Zeiten von Konflikten war der
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