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Die Legenden des Raben 01 - Schicksalswege

Die Legenden des Raben 01 - Schicksalswege

Titel: Die Legenden des Raben 01 - Schicksalswege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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will, ist kein Stock.«
    Ben-Foran grinste. »Ja, Sir.«
    »Gut. Macht euch an die Arbeit. Es wird hier früh dunkel.« Yron drehte sich um und kehrte in den angenehm kühlen Tempel zurück. »Bei den Göttern, was habe ich nur verbrochen, dass mir dieses Kommando übertragen wurde?«

Achtes Kapitel
    Erienne litt unter Übelkeit. Das Gefühl breitete sich in ihrem ganzen Körper aus, bis ihr schwindlig wurde. Ihr Magen verkrampfte sich, und ihre Glieder zitterten. Der Puls hämmerte so hart in ihrem Hals, dass sie glaubte, ihre Haut müsste aufplatzen. Sie streckte eine bleiche, zitternde Hand zum Türgriff aus und ließ sie wieder sinken. Sie musste sich an den Rahmen lehnen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Sie war nicht sicher, ob es Angst oder Hass war. Vermutlich eine Mischung aus beidem. Sie durfte sich nichts anmerken lassen.
    Sie nahm sich zusammen, packte den Türgriff und stieß die Tür auf, bevor ihr Impuls, einfach wegzulaufen, die Oberhand gewinnen konnte.
    »Erienne, wie schön, dich endlich zu sehen.«
    Da waren sie also, die beiden. Sie saßen in tiefen, weichen Sesseln, die Füße auf gepolsterte Hocker gelegt. Sie wirkten zerbrechlich und alt, und eine Krankheit hatte ihre Haut entstellt, doch ihre Augen brannten hell. Sie sollten tot sein wie meine Tochter, dachte Erienne. Doch da waren sie und begrüßten sie, wie eine Großmutter das
Enkelkind begrüßt, was Erienne in ihren Augen vermutlich auch war.
    »Es ist kein Höflichkeitsbesuch«, sagte Erienne hart. »Ich werde keine Artigkeiten mit denen austauschen, die für die Ermordung meiner Tochter verantwortlich sind.«
    »Wir sind bekümmert über deinen Verlust …«, begann Myriell.
    »Wagt es nicht!« Eriennes Ausbruch ließ die beiden zusammenzucken. Sie spürte, wie Tränen in ihre Augen traten, doch sie wollte sich nicht von ihnen übermannen lassen. »Sagt mir nie wieder, dass ihr bekümmert seid. Bei den ertrinkenden Göttern, ihr wart doch diejenigen, die Lyanna in den Tod geschickt haben. Das wäre nicht nötig gewesen.«
    »Wir hatten das Gefühl …«
    »Es wäre nicht nötig gewesen«, wiederholte Erienne langsam. »Ihr seid in Panik geraten, als die Dordovaner angriffen. Ich hätte sie retten können. Ihr hättet dem Raben vertrauen müssen, und ihr hättet mir vertrauen müssen. Das habt ihr nicht getan.«
    Zwei Jahreszeiten hatte sie gewartet, ehe sie diese Worte sagte. Zwei Jahreszeiten, in denen unendlicher Kummer und eine schreckliche Abscheu ihr die Kraft geraubt hatten, die alten Frauen zur Rede zu stellen, wie sie es eigentlich wollte. Die Übelkeit schwand ein wenig, und sie beruhigte sich. Sie hatte sich wieder unter Kontrolle.
    »Aber dabei wärst du gestorben«, wandte Myriell ein.
    »Für meine Tochter zu sterben, wäre die größte Ehre meines Lebens gewesen. Ich bin ihre Mutter. Was, zum Teufel, erwartet ihr von mir?«
    Erienne trat in den Raum. Die Tür, die zur Küche führte, wurde geöffnet, doch ein finsterer Blick ließ Nerane sofort wieder verschwinden.

    »Wir haben von dir erwartet, dass du deinem Glauben gerecht wirst und die Notwendigkeit einsiehst, die Eine Magie zu erhalten«, sagte Cleress.
    »Meine Güte, wie sehr ihr euch doch von der Realität entfremdet habt.« Eriennes Worte tröpfelten wie Gift, als sie sich den Al-Drechar näherte, bis sie vor deren Stühlen stand und auf die erbärmlichen, schwachen Körper hinabschaute. »Hattet ihr eigentlich eigene Kinder, oder wart ihr schon immer so vertrocknet und unfruchtbar wie jetzt?«
    Sie legte die Hände auf Myriells Armlehne und beugte sich vor. »Ich hätte alles getan, um mein Kind zu retten. Ich war bereit, für Lyanna zu sterben; es wäre mir leicht gefallen. Eure Eine Magie hat dabei keine Rolle gespielt.«
    Schweigend starrten die Frauen einander an. Erienne richtete sich wieder auf, als Myriell endlich den Blick abwandte.
    »Warum bist du gekommen?«, fragte Cleress. »Nur um deinen Gefühlen Luft zu machen, oder gibt es noch etwas?«
    Erienne drehte sich zu ihr um. »Glaubt ihr etwa, ich hätte nicht das Recht dazu? Glaubt ihr senilen alten Frauen wirklich, ich könnte jemals zu der Überzeugung gelangen, dass ihr richtig gehandelt habt? Ihr kotzt mich an.«
    »Nein, das glauben wir nicht«, sagte Cleress. »Wir erwarten auch nicht, dass du uns verzeihst. Und ja, wir haben Kinder zur Welt gebracht. Aber das Eine ist größer und wichtiger als jeder Einzelne von uns.«
    »Versuch das mal Lyanna zu erklären«, tobte Erienne.

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